Was mit Leonardo aus Vinci im 16. Jahrhundert begonnen hat, wird mit Giulio aus der Leopoldstadt im 21. nicht enden. Der Jüngere trat in diese Welt, da war schon ein gutes halbes Jahrtausend vergangen, seit der Ältere sein nachmals berühmtestes Werk vollendet hatte: die Mona Lisa, die in diesen 500+ Jahren viel erlebt hat.
Anfangs hing sie für eine Weile bei König Franz I. von Frankreich im Schloss, um dann bei Ludwig XIV. in Versailles unterzukommen. Von dort zog sie in den Louvre, wo schließlich Napoleon Bonaparte sich ihrer annahm und sie in sein Schlafzimmer entführte. Nach dessen Verbannung durfte sie zurück in das französische Nationalmuseum, um von dort in einer Augustnacht aus ihrem Rahmen befreit und alsdann gestohlen zu werden. Da erst wurde die Mona Lisa endlich halbwegs weltberühmt. Und das kam so: Die französischen Polizisten hatten Fotos des Gemäldes drucken und in einer Startauflage von 6.500 Stück verteilen lassen, um bei der Jagd nach dem Dieb auch die Öffentlichkeit einzubinden. Während fortan Menschen in den Louvre pilgerten, um anstelle Mona Lisas die nun leere Wand zu sehen, machten Händler auf den Straßen mit ihr in Form von Postkarten und Reproduktionen gute Geschäfte. Reichlich zwei Jahre sollten vergehen, bis der Dieb – ein Gelegenheitskrimineller und in Sachen Kunst unbeleckt – dingfest gemacht werden konnte. Jetzt erst war Mona Lisa wirklich wer.
Und so arbeiteten sich in der Folge Andy Warhol, Marcel Duchamp, Robert Rauschenberg und im Jahr 2022 endlich auch Giulio und die ganze 4B der ehedem Regenbogenvolksschule genannten GTVS Darwingasse im Volkertviertel der Wiener Leopoldstadt an ihr ab. Vera Reumann, die Lehrerin, war auf Mona Lisa aufmerksam geworden, weil Roland Schweizer in seinem Café Else in der Heinestraße eine veritable Sammlung von Kopien, Reproduktionen und Interpretationen an die Wand gehängt hatte: 17 Stück Mona Lisen in Summe. Und als die für Montag anberaumte Kunststunde vorbereitet werden sollte, kopierte Reumann eine Mona Lisa, um die Klasse anderntags zum Zeichnen und Malen zu motivieren. 14 Bilder sind dabei entstanden, die der Wirt wenige Wochen später für eine Vernissage im Café Else gerahmt und den anderen Mona Lisen schräg gegenüber an eine Wand gehängt hat. Da nun wurde ich auf das Projekt Mona Lisa aufmerksam und unterbreitete den jungen Damen und Herren spontan einen Vorschlag: Wenn wir zu den Bildern auch noch die Lebensgeschichten der Kunstschaffenden dokumentieren könnten, ließe sich daraus womöglich ein Buch machen.
Und so wurden Termin und Modalitäten vereinbart und jene Texte geschrieben, die mit den Bildern zusammen in dieser Kunstedition gedruckt vorliegen. Verfasst wurden die Geschichten handschriftlich im Lauf von zwei Schulstunden, in denen Leonardos Vita ebenso zur Sprache kam wie die Reproduktions- und Rezeptionsgeschichte der Mona Lisa. Im Zentrum der Aufmerksamkeit aber standen die Geschichten der Künstler*innen, die eine insofern besondere Schule besuchen, als dort von etwa 160 Kindern mehr als zwei Dutzend sogenannte Erstsprachen gesprochen werden. Weil die Schulbürokratie jüngst aus der Volksschule eine Ganztagesvolksschule (GTVS) gemacht hat, was neben einem Mittagessen für die Kinder auch eine Gratisnachmittagsbetreuung bringt, sind nun zusehends auch Eltern mit der Erstsprache Deutsch motiviert, ihre Kinder in diese Schule zu schicken. Was wiederum – Stichwort: Sprachbad – für den allgemeinen Aufbau von Deutschkenntnissen nur von Vorteil sein kann.
Ich könnte jetzt noch ins Schwärmen geraten angesichts des Engagements und der Menschenliebe, die den Lehrkörper (ein schönes Wort!) hier prägen. Aber das würde nur ablenken von Mona Lisa, Leonardo und seinen Kollegen und Kolleginnen im Volkertviertel. Ihnen zuerst hat die Aufmerksamkeit zu gelten, ungeteilt und voll der Bewunderung.
Broschüre mit je zwei Postkartensets zu 15 Karten im Schuber. Limitierte und nummerierte Erstausgabe zu 300 Stück.