Ernst Schmiederer war lange Jahre Ressortleiter beim profil und USA-Korrespondent eines Schweizer Magazins. Seit einiger Zeit setzt er mit seinem in Wien etablierten Blinklicht Media Lab und der edition IMPORT/EXPORT Akzente in der Zivilgesellschaft und steht auf sympathische Weise außerhalb der Mainstream-Blase von Journalismus und Szene.
Eben ist Ernst Schmiederers neues Buch „Warum wir Fremde nicht wie Feinde behandeln dürfen – Plädoyer für ein besseres Leben“ erschienen (Edition Konturen, 2020, 71 Seiten). Der kompakte Text beschäftigt sich mit Fremdheit und Fremden, mit dem Umgang mit Not, Armut und Migration. Der Text hat den Charakter eines Appels, eines Manifests – er ist ein Aufruf zu Vernunft und Menschlichkeit. Schmiederer beklagt zu Recht den Rückbau des Asylrechts in der Praxis europäischer Gerichte und Behörden und regt ein Recht jedes Menschen, sich auf der gesamten Welt frei zu bewegen und niederzulassen an. Die Stärke des Textes liegt darin, dass der Autor seinen menschlichen Zugang zum Thema Migration und Flucht nachvollziehbar argumentiert, mit Fakten und mit der Berufung auf maßgebliche Philosophen – und zugleich die aus dem Herzen kommende Überzeugung von der Alternativlosigkeit zu menschlichem Handeln spürbar ist. Schmiederer berichtet von einzelnen Fluchtschicksalen, er verwendet starke Bilder und beruft sich ua auf Derrida, der bereits 1996 formulierte: „Besteht die Gastfreundschaft darin, dem Ankömmling Fragen zu stellen? Oder beginnt die Gastfreundschaft damit, dass man empfängt, ohne zu fragen?“
Aufrufe wie dieser zu Empathie und Menschlichkeit werden oft als naiv und aussichtsloses Unterfangen diskreditiert. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade der Jugend gegenüber sind wir verpflichtet, unsere Überzeugungen darzulegen und nicht nachzulassen, sie zu vertreten. Die Öffentlichkeit sieht sich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten der Propaganda eines egoistischen, menschenfeindlichen Systems gegenüber. Hohle Phrasen wie jene vom Wert der Leistung, begrenzten Aufnahmemöglichkeiten, illegaler Migration prasseln ständig auf uns ein. Die Corona-Krise hat die Schieflage in unserer Gesellschaft deutlich gemacht, noch deutlicher, wenn man sich Ibiza und andere Skandale dazudenkt. In der Pandemie entstand Aufmerksamkeit dafür, dass Gesundheitssystem, Handel und Landwirtschaft ohne ZuwandererInnen und ausländische Arbeitskräfte nicht aufrecht zu erhalten sind; dass in diesen Sektoren arbeitende Menschen unverzichtbare Leistungen für die Gesellschaft erbringen.
Im Asylbereich zeigen Widerstände in den Gemeinden gegen Abschiebungen, dass viele Menschen mit der laut deklamierte Härte gegen Flüchtlinge und MigrantInnen nicht einverstanden sind. Texte wie jener Ernst Schmiederers sind notwendig – nicht nur ab und zu, sondern ganz oft, von vielen Menschen aus vielen Berufen. Schmiederers Plädoyer für Menschlichkeit, Menschenrechte und Empathie ist wohl begründet und ein wichtiger Mosaikstein, unsere Gesellschaft und unser Rechtssystem menschlicher zu gestalten und dem Asylrecht seine ursprüngliche Kraft zurückzugeben.
“Es macht keinen Sinn mehr, zwischen Flucht und Wirtschaftsmigration zu unterscheiden. Millionen von Menschen müssen ihre Heimat verlassen, weil Not und Hoffnungslosigkeit sie dazu zwingen. ‘Verzweiflungsmigrant_innen’, nennt die Menschenrechtsprofessorin Jacqueline Bhabha jene, die ‘den Eindruck haben, dass Mobilität der einzige Ausweg aus einem Leben in unendlichem Mangel, Leiden und Chancenlosigkeit darstellt’. Ihnen ‘sollte das Recht…