Was immer ich mache, es hat mit Natur zu tun. Ich bin in der Innerschweiz, unterhalb des Kleinen und des Großen Mythen aufgewachsen und dabei viel auf Bäume geklettert. Dort oben habe ich mir die Welt angeschaut. Seither ist die Natur meine Lehrmeisterin. Als Mädchen wollte ich Rosenzüchterin werden, mit 15 habe ich stattdessen eine Ausbildung zur Floristin begonnen. Eine gute Weile war ich in einer Blumenhandlung am Zürcher Paradeplatz beschäftigt, direkt an der Bahnhofstraße, die damals der teuerste Ort der Welt war. Da hatte ich viel mit Reichen und Schönen zu tun, da lag der Fokus ziemlich exklusiv auf dem Dekorativen. Als ich nach Wien gezogen bin, war ich noch Geschäftsführerin von renommierten Blumengeschäften im 1. Bezirk. Danach resultierte aus einer handfesten Lebenskrise dann der verzweifelte Entschluss, erstmal hässliche Sachen zu machen. Aber bald hat mich auch hier die Natur eingeholt: in kaum einer anderen Stadt gibt es eine so große Pflanzenvielfalt, mehr als 2.200 wildwachsende Arten soll es geben. Für eine Pflanzenjägerin, wie ich es bin, ist das paradiesisch.
Mit 50 habe ich mich an der Pädagogischen Hochschule eingeschrieben, um Lehrerin an der Berufsschule für Gartenbau und Floristik in Kagran zu werden. Das Unterrichten liegt mir sehr. Geplant war, dass ich das mache bis ich 65 bin. Aber da ist mir die Cyanotypie dazwischen gekommen, eine historische Fototechnik. Wenn ich mich dieser Sache ernsthaft widmen wollte, könnte ich nicht bis zum 65. Geburtstag warten. Also habe ich mich wieder neu erfunden und werke seither als Cyanotypistin in meinem kleinen Häuschen in Obersdorf bei Wolkersdorf.
Das Verfahren der Cyanotypie beruht auf zwei harmlosen Kompenenten: Amoniumeisen und Blutlaugensalz werden getrennt in Wasser gelöst, in der Dunkelkammer gemischt, so dass eine saugfähige Druckunterlage – Papier oder Leinwand – damit fotosensibilisiert werden kann. Auf dieses Medium bringe ich mein Pflanzenbild auf und belichte es in der Sonne. Nach einer Weile erstrahlen meine Bilder in diesem wunderschönen Berliner Blau.
Als Floristenmeisterin bin ich Fachfrau für Kulturpflanzen. Meine Tochter hat sich zum Geburtstag eine Wildpflanzenwanderung gewünscht und damit meinen Horizont erweitert. Ich musste mich einlesen und diese Welt für mich entdecken, damit ich sie ihr zeigen konnte. So bin ich auch auf den Japanknöterich gekommen, eine der meistgehassten Pflanzen Europas. Diese invasive Art macht den Menschen offenkundig so viel Angst, dass sie die guten Seiten dieser Pflanze übersehen, etwa ihr Potential, vergiftete Böden zu sanieren. Mir jedenfalls lachte der Japanknöterich eines Tages in der Mittagssonne entgegen und verführte mich zu einem langen Gespräch. Pflanzen kommunizieren, aber anders als wir. Deshalb ist es schwierig, sie zu verstehen. Ihre Schönheit spricht uns meist zuerst an. Sie eröffnet diese Konversation. Gespräche mit dem Japanknöterich – so habe ich eine Serie von sieben Cyanotypien genannt, die im Januar 2020 entstanden sind. Weil ich gerne auch bei mir zuhause ausstelle, hängen vier dieser fast quadratmetergroßen Bilder in meinem Wohnatelier. Den Titel und den Preis der Arbeit schreibe ich jeweils direkt daneben mit Bleistift auf die weißgekalkte Wand. Das affige Theater in Galerien, wo man sich aus Listen die Preise zusammensuchen muss, habe ich nie verstanden. Ich weiß, was meine Arbeiten wert sind. Und daher mache ich auch kein Geheimnis daraus.