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Dienstag, 16. Januar 2024

Meine zweite große Chance

Die finnische Musikerin und Sängerin Laura Maria Korhonen, 38, lebt in Pirkenreith bei Rappottenstein.
Zuletzt geändert am 17. Mai 2024
Foto: ©Ernst Schmiederer

Es ist viel Zeit ver­gan­gen, bis ich wirk­lich wuss­te, was ich machen will. Dann kamen eini­ge gro­ße Rück­schlä­ge. Und jetzt ergrei­fe ich gera­de mei­ne zwei­te gro­ße Chance.

Seit sechs Jah­ren lebe ich mit mei­nem Mann Aron und unse­ren bei­den Töch­tern, Sofi und Anna, in Pir­ken­reith, im Vier­kan­t­hof der Schwie­ger­el­tern. Wir haben das Haus auf unse­re Bedürf­nis­se hin adap­tiert und das Leben so orga­ni­siert, dass es für uns gut passt. Was ande­ren Men­schen ver­mut­lich sehr unre­gel­mä­ßig erscheint, fühlt sich für uns an wie ein Tetris-Spiel: man schaut ein­fach immer, wo die Stei­ne gera­de hin­pas­sen. Zwei Nach­mit­ta­ge in der Woche bin ich die Hob­by-Mama und chauf­fie­re die Kin­der zum Tan­zen, zum Fuß­ball­spie­len, wohin immer sie müs­sen. An den ande­ren Tagen sind Aron oder sei­ne Mut­ter dran. Drei Nach­mit­ta­ge habe ich für das Unter­rich­ten reser­viert. Im Musik­schul­ver­band pend­le ich als Leh­re­rin nach Rap­pot­ten­stein, Alt­me­lon, Abes­bach, Lang­schlag und Groß­ge­rungs. Außer­dem gebe ich Ein­zel­un­ter­richt in Pop- und Jazz­ge­sang. An den Vor­mit­ta­gen arbei­te ich künst­le­risch oder küm­me­re mich um Orga­ni­sa­to­ri­sches für unse­re Band Satuo und unse­ren Ver­ein TRA-Kul­tur­lo­gis­tik.

Dass wir mit Satuo im Juni unser neu­es, das vier­te Album her­aus­brin­gen, grenzt für mich an ein Wun­der. Ich kann es noch gar nicht fas­sen. Ich bin in Tur­ku gebo­ren, habe die ers­ten Lebens­jah­re in Liver­pool ver­bracht, bin in Hel­sin­ki auf­ge­wach­sen. Musik und Tanz waren immer wich­tig für mich. Ich habe in einem Show- und Musi­cal-Chor gesun­gen, habe Gei­ge gespielt, Kla­vier gelernt und in der Schu­le immer die Solos bekom­men. Ich war begabt und am bes­ten Weg zu einer Kar­rie­re im Pop-Geschäft. Im Matu­ra-Jahr kamen uner­klär­li­che Schmer­zen dazwi­schen. Irgend­wann wur­de eine Auto­im­mun­krank­heit dia­gnos­ti­ziert, die ich nach vie­len Expe­ri­men­ten heu­te mit guten Medi­ka­men­ten im Griff habe. Der Traum vom Tanz war damit aber ausgeträumt.

Um einen neu­en Weg zu fin­den, habe ich in Hel­sin­ki Musik­wis­sen­schaft, Pop und Jazz Gesangs­päd­ago­gik und ein Jahr an der Sibe­l­i­us-Aka­de­mie Jazz-Gesang stu­diert. 2009 kam ich mit Eras­mus nach Wien, um bei Ines Rei­ger an der Musik-Uni mei­ne Aus­bil­dung fort­zu­set­zen. Vom ers­ten Tag an war ich begeis­tert – und hat­te nach zwei Mona­ten den ers­ten Hör­sturz mei­nes Lebens. Die nächs­ten neun Jah­re leb­te ich mit Hör­stür­zen, Kor­ti­son-Behand­lun­gen und Ope­ra­tio­nen. Und trotz­dem habe ich mein Stu­di­um abge­schlos­sen, mit mei­nem Mann unse­re Band gegrün­det, die Kin­der bekom­men, das Wald­vier­tel zum Lebens­mit­tel­punkt gemacht. Doch die Angst, mein Gehör eines Tages ganz zu ver­lie­ren, war immer prä­sent. Im Novem­ber 2018 war es soweit: nach einem wei­te­ren Hör­sturz und einer schwe­ren Sep­sis war ich völ­lig taub. Ich konn­te nicht mehr singen.

Ja, und jetzt das neue Album: Some­whe­re in the Maze. Mei­ne zwei­te Chan­ce! Mir wur­den Coch­lea-Implan­ta­te ein­ge­setzt. Ich war hart­nä­ckig und hat­te kei­ne Ahnung, wie schwer das wer­den wird. Zwei Jah­re war ich im Kran­ken­stand. Ich muss­te bei Null anfan­gen, Schritt für Schritt wie­der sin­gen ler­nen. Ich bin angeb­lich welt­weit die ers­te Sän­ge­rin, die es mit Implan­ta­ten zurück auf die Büh­ne schafft – heu­er im Som­mer wie­der beim Schram­mel­klang Fes­ti­val in Lit­schau. Heu­te bin ich eine kom­plett ande­re Sän­ge­rin und habe damit die Chan­ce, ohne Kom­pro­mis­se die Musik zu machen, die ich lie­be. Unse­re Band ist sehr divers, wir sind sechs sehr unter­schied­li­che Musiker*innen, bewe­gen uns cross-over in alle mög­li­chen Rich­tun­gen und haben jetzt ein ent­spre­chend kun­ter­bun­tes Album geschaf­fen. Wich­tig ist mir, dass ich immer auch mei­ne Geschich­te mit­brin­ge: ich sin­ge und arran­gie­re fin­ni­sche Musik, Volks‑, Kin­der- und Wie­gen­lie­der, aber auch Tan­gos. Ich bin eine stol­ze Fin­nin und seit ich Mut­ter gewor­den bin, ist mei­ne Her­kunft noch wich­ti­ger. Mei­ne Töch­ter sol­len wis­sen, woher auch sie kom­men. Durch die Musik sind mei­ne Vor­fah­ren und ein Stück Finn­land immer bei mir.

Auf­ge­zeich­net von Ernst Schmiederer

Kunststoff Nr. 422023
in: Kunst­stoff, Nr. 42/2023
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