Die Welt gehört nicht irgendeiner Organisation. Sie gehört nicht einem Konzern, nicht irgendeiner Firma. Und sie gehört auch nicht irgendeiner selbsternannten Elite. Die Welt gehört uns allen. Jeder Mensch hat das Recht sich auszusuchen, wo er leben will. Jeder Mensch, der Europäer sein will, darf Europäer sein. Es geht nicht zuerst darum, wo jemand herkommt. Wesentlich ist einzig und allein, dass er oder sie im Moment hier ist. WIR alle, die WIR JETZT HIER sind, gestalten unsere gemeinsame Gegenwart und Zukunft. Darum geht es in diesen Büchern.
Wir bitten Menschen, uns zu erzählen, wer sie sind. Zu berichten, wie sie leben. Es gibt viel zu viele Menschen in unserer Gesellschaft, die im Schatten stehen, die unsichtbar sind oder unsichtbar gemacht werden. Dagegen müssen wir etwas tun. Wir müssen uns sichtbar machen. Demokratie ist mehr als einmal alle vier Jahre wählen gehen. Demokratie bedeutet auch, Aufmerksamkeit für alle. Eine demokratische Gesellschaft besteht aus Individuen, die auch in ihrer Würde gleichberechtigt sind. Sonst würde der berühmte Satz aus der Menschenrechtserklärung – alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren – keinen Sinn machen.
Deshalb haben wir vor ein paar Jahren begonnen, solche autobiografischen Berichte in Büchern zu veröffentlichen. Mittlerweile gibt es davon 14 Bände. Soeben (in der edition IMPORT/EXPORT) erschienen sind die beiden Bände WIR. HIER UND JETZT. GEFLÜCHTETE MENSCHEN BERICHTEN. Die Bilder – herzlichen Dank einmal mehr an Marco Büchl – sind bei der Präsentation im Wiener Radiokulturhaus (7. November 2018) entstanden.
Warum wir diese Geschichten aufschreiben lassen, warum wir sie sammeln, warum wir sie drucken?
Dazu ein Zitat von Pierre Rosanvallon, einem Sozialhistoriker und Demokratietheoretiker, dessen PARLAMENT DER UNSICHTBAREN ins Deutsche übersetzt in der edition IMPORT/EXPORT publiziert wurde. Rosanvallon schreibt:
„Man kann tatsächlich niemandem vertrauen, der völlig fremd ist und von dem man gar nichts weiß. Man kann nichts mit jenen gemeinsam aufbauen, die einem gänzlich unbekannt sind.“
„Lange Zeit hat eine gewisse kulturelle Homogenität de facto also Ersatz für dieses Bedürfnis nach echten Kenntnissen gedient. In einer vielfältigeren Gesellschaft, in der die Lebensumstände und die Situationen dynamischer geworden sind, hat die Information über die anderen die Aufgabe, die Abstände sowohl in den Köpfen als auch in der Praxis zu verringern.“
„Wenn die Wirklichkeiten verschleiert sind und die Leben im Dunkeln gelassen werden, beherrschen tatsächlich Vorurteile und Phantasmen die Vorstellungskraft. Das wiederum nährt auch Argwohn und Ängste.“
„Es geht darum, die gesamte Gesellschaft aus ihrer Unsichtbarkeit zu holen und Kenntnisse zu schaffen, die ihre Mitglieder einander näherbringen. (…) Die Demokratie kann nicht leben, wenn Männer und Frauen keine Gesellschaft bilden. Die Kenntnis der anderen ist die Basis dieses Unterfangens.“