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Montag, 25. Juni 2018

Es reicht!

Zuletzt geändert am 23. Oktober 2022
Seit einem halben Jahr sind Kurz und Kickl, Strache, Struppi & Co am Werk. Das Ergebnis: unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Europa sind ernsthaft bedroht. Wer daran etwas ändern will, möge sich engagieren. Am besten sofort! Ein Appell von Ernst Schmiederer

Seit einem hal­ben Jahr sind Kurz und Kickl, Stra­che, Strup­pi & Co am Werk. Das Ergeb­nis: unse­re Demo­kra­tie, unse­re Frei­heit, unser Euro­pa sind ernst­haft bedroht. Wer dar­an etwas ändern will, möge sich enga­gie­ren. Am bes­ten sofort!
Ein Appell von Ernst Schmiederer

Ja, es gibt vie­le gute Grün­de, zufrie­den zu sein. Zumal wenn man Euro­pä­er ist. Wenn man in einer Demo­kra­tie lebt, in einem Ver­fas­sungs­staat wie Öster­reich etwa. Wenn man zuhau­se ist in einer wohl­ha­ben­den Stadt, in der kom­for­ta­ble Ver­kehrs­mit­tel pünkt­lich, gute Schu­len gra­tis und enga­gier­te Bür­ger in aller­lei Lebens­be­rei­chen für das Gute tätig sind. Sehr vie­les funk­tio­niert mit gro­ßer Selbst­ver­ständ­lich­keit jeden­falls so gut, dass wir kei­nen Gedan­ken dar­auf ver­schwen­den müssen. 

Unse­re Demo­kra­tie hinkt den gesell­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten in man­cher­lei Hin­sicht zwar bekla­gens­wert nach (Stich­wort: Reprä­sen­ta­ti­on), den­noch erle­ben wir auch dies­be­züg­lich gele­gent­lich klei­ne High­lights. Da zog irgend­wann eine ers­te, in der Tür­kei gebo­re­ne Frau in den Natio­nal­rat ein. Damals für die Grü­nen. Etwas spä­ter ist eine wei­te­re in der Tür­kei gebo­re­ne Frau Natio­nal­rä­tin gewor­den. Dies­falls eine Sozi­al­de­mo­kra­tin. Seit ein paar Tagen nun ist eine Wie­ner Ärz­tin, die im Kon­go das Licht der Welt erblickt und ein paar Jah­re in Lon­don Groß­stadt­flair geat­met hat, stell­ver­tre­ten­de Bezirks­vor­ste­he­rin der Inne­ren Stadt. Und ab 3. Juli wird in Per­son von Romeo Franz end­lich der ers­te Sin­to im Euro­pa­par­la­ment tätig – ein Mann, der sei­ne Groß­on­kel Paul, Albert und Joschi sowie sei­ne Groß­tan­te Bär­bel im Holo­caust ver­lo­ren hat. 

Oben­drauf kom­men in mei­nem Fall noch jene klei­nen Glücks­mo­men­te, die den euro­päi­schen Wur­zeln eines Inden­ti­täts­kon­strukts Nah­rung geben – wenn ich etwa im Wein­vier­tel kilo­me­ter­lang lau­fen und dabei die Gren­ze zu Tsche­chi­en über­schrei­ten kann, ohne über die­se Gren­ze nach­den­ken zu müs­sen; oder wenn ich am Kar­ni­schen Höhen­weg tage­lang unter­wegs sein kann, ohne dar­auf zu ach­ten, wie oft ich auf der nächs­ten Etap­pe von einem Land (Öster­reich) ins ande­re (Ita­li­en) wech­seln werde. 

Wäre ich sol­cher­art wohl­ge­launt an einem lau­en Som­mer­abend des ver­gan­ge­nen Jah­res beim Heu­ri­gen hoch über der Donau mit einer klu­gen ÖVP-Wäh­le­rin oder einem klu­gen FPÖ-Wäh­ler in ein Gespräch über die Zukunft unse­rer Hei­mat gera­ten, hät­ten sich die viel­leicht genö­tigt gese­hen, mei­ne Freu­den mit dem Auf­zäh­len drän­gen­der Pro­ble­me zu kon­ter­ka­rie­ren. Aber der Islam, hät­ten sie viel­leicht ein­ge­wor­fen. Oder: unse­re Spra­che, die Kin­der kön­nen ja nicht mehr anstän­dig Deutsch. Und über­haupt: die Zuwan­de­rung. Sehen Sie das denn nicht? Die Frau­en. Die Kopf­tü­cher. Wohin soll das denn alles füh­ren? Wir brau­chen kla­re Regeln, hät­te sie oder er ver­mut­lich gesagt. Stren­ge­re Geset­ze. Eine Leit­kul­tur, die unser christ­lich und jüdisch gepräg­tes euro­päi­sches Wer­te­ge­flecht beschreibt und inso­fern schützt, als sich alle Zuge­wan­der­ten dar­an hal­ten müssten.

Dann wäre wie­der ich dran gewe­sen. Haben wir ja, hät­te ich beru­hi­gend ent­geg­net. Haben wir, lie­be Frau. Haben wir, lie­ber Mann. Wir haben eine Ver­fas­sung, in der unter ande­rem die Rech­te und Pflich­ten der Men­schen im Staat fest­ge­schrie­ben sind. Die Ent­schei­dun­gen in unse­rer Repu­blik basie­ren auf demo­kra­ti­schen und rechts­staat­li­chen Prin­zi­pi­en. Und dazu kom­men noch die Men­schen­rech­te. Wenn Sie es denn unbe­dingt so nen­nen wol­len, dann haben Sie mit die­sen drei Ele­men­ten also genau das, was Sie so schmerz­lich ver­mis­sen: unse­re Leitkultur!

Wie gesagt: im Som­mer des Jah­res 2017 hät­te ein Gespräch noch die­sen Ver­lauf neh­men kön­nen. Doch das ist vor­bei. So zivi­li­siert geht es heu­te – ein hal­bes Jahr nach dem Amts­an­tritt des jüngs­ten Bun­des­kanz­lers – lei­der nicht mehr zu. 

Ange­sichts der „Erfol­ge“ die­ser Regie­rung wirkt mei­ne ein­gangs geschil­der­te Zufrie­den­heit denk­bar unpas­send. Ver­fas­sungs­freun­de sind ver­däch­tig gewor­den, Ver­tei­di­ger der Men­schen­rech­te eben­falls und Mit­ar­bei­ter von Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen sowie­so. Wer nur erwähnt, dass er eigent­lich ger­ne ohne Grenz­kon­troll­stau in einer Vier­tel­stun­de von Salz­burg nach Rei­chen­hall fah­ren wür­de, eben­so wie das lan­ge Jah­re nor­mal war, dem wird vom Fan­club des Kanz­lers Nähe zu Ange­la Mer­kel und damit im freund­li­che­ren Fall Blau­äu­gig­keit und in der hef­ti­ge­ren Vari­an­te Schuld unter­stellt: ihr habt sie alle rein­ge­las­sen, ihr habt behaup­tet, wir schaf­fen das! 

Flucht und Migra­ti­on. So wie Trump und Orban haben auch Kurz und Kickl, Stra­che, Strup­pi & Co längst erkannt, dass sie mit die­sen Zuta­ten jeder­zeit ein poten­tes All­zweck-Spreng­mit­tel anrüh­ren kön­nen. Ein gewis­ses Maß an Kalt­blü­tig­keit vor­aus­ge­setzt, lässt sich damit alles (kaputt) machen. Man kann den Sozi­al­staat rui­nie­ren, die Rei­se­frei­heit ein­schrän­ken, die Men­schen­rech­te aus­höh­len. Man kann umver­tei­len (von unten nach oben) und ent­wer­ten (Men­schen auf der Flucht zu Para­si­ten, zu Ver­bre­chern, zu Ter­ro­ris­ten stem­peln). Man kann Nebel­wän­de hoch­zie­hen, hin­ter denen unge­stört all das sturm­reif geschos­sen wird, was einem nicht in den Kram passt (die Mei­nungs­frei­heit etwa oder der Ver­fas­sungs­schutz, der ORF oder die AUVA). Und oben­drein kann man – wohl­be­stallt und groß­zü­gig hono­riert – auch ein paar Ste­cken­pfer­de rei­ten (mög­lichst braun sol­len die Wal­la­che sein, allen­falls auch schwarz) und neben­her sowohl die eige­ne als auch ande­re Kar­rie­ren zügig aufbauen. 

Wer also heu­te, nach dem ers­ten Semes­ter der tür­kis-schwarz-blau-brau­nen Herr­schaft mit offe­nen Augen Zwi­schen­bi­lanz zieht, muss fest­stel­len, dass sich das Land in vie­ler­lei Hin­sicht rasend schnell zum Schlech­te­ren ver­än­dert hat. 

Mit­glie­der und Funk­tio­nä­re der FPÖ pro­du­zie­ren seit dem Regie­rungs­ein­tritt ihrer Par­tei nicht etwa weni­ger son­dern deut­lich mehr ein­schlä­gi­ge Ein­zel­fäl­le als jemals zuvor: hier ein gereim­ter Auf­ruf zum Mas­sen­mord, dort ein wei­te­rer Ras­sist, da schon wie­der ein neu­er Neo­na­zi. “Die Zahl der rechts­extre­men Akti­vi­tä­ten von FPÖ-Poli­ti­kern hat stark zuge­nom­men”, resü­miert das “Maut­hau­sen Komi­tee Öster­reich”: “Der Anti­se­mi­tis­mus in der FPÖ tritt wie­der wesent­lich offe­ner zuta­ge. Die FPÖ arbei­tet wei­ter­hin eng mit rechts­extre­men Kräf­ten im In- und Aus­land zusam­men.” Das tut im Übri­gen auch der Bun­des­kanz­ler: zu einer kla­ren Ver­ur­tei­lung jener rechts­extre­men Umtrie­be, die in der Par­tei sei­nes Vize­kanz­lers an der Tages­ord­nung sind, hat er sich bis heu­te nicht hin­reis­sen las­sen. Statt­des­sen wirft er – wie jüngst wie­der in einem Inter­view mit dem Chef­re­dak­teur der deut­schen Wochen­zei­tung DIE ZEIT – Nebel­gra­na­ten („Ich habe einen gesun­den Geschichts­be­griff und möch­te mir Wor­te wie Ach­se oder Hei­mat nicht von Nazis neh­men las­sen“) und attes­tiert sich selbst „ein anstän­di­ges Geschichts­be­wusst­sein“. Na also, was soll da noch schiefgehen!

Im Aus­land pflegt unse­re Regie­rung den Umgang mit Rechts­extre­men und Rechts­po­pu­lis­ten ohne­hin ganz unge­niert, wie erst die­ser Tage zu erle­ben war: wäh­rend der Kanz­ler in Buda­pest mit Orban und Visegrad gegen Ange­la Mer­kel packelt, kuscheln der Vize­kanz­ler und der Innen­mi­nis­ter in Ita­li­en mit dem dor­ti­gen Innen­mi­nis­ter, der geret­te­te Flücht­lin­ge als „Men­schen­fleisch“ bezeich­net und Roma und Sin­ti schon mal vor­sorg­lich zäh­len las­sen will.

In die­sem Sinn kann man der Regie­rung zuge­ste­hen, dass sie ihr ers­tes Semes­ter mit sehr gutem Erfolg absol­viert hat: in denk­bar kur­zer Zeit („speed kills“) ist viel Unsag­ba­res wie­der sag­bar, viel Unvor­stell­ba­res mög­lich und viel Gutes schlecht gemacht wor­den. Man lässt den Gedenk­dienst, der seit 25 Jah­ren Frei­wil­li­ge in jene Län­der ent­sen­det, in denen die Nazis ihre Ver­bre­chen began­gen haben, so lan­ge zap­peln, bis er bet­teln kom­men muss. Man lässt UNDOK hun­gern, jene Anlauf­stel­le, die undo­ku­men­tiert Arbei­ten­den gewerk­schaft­li­che Unter­stüt­zung anbie­tet. Und man lässt die Sozi­al­part­ner­schaft ver­hun­gern, indem man per Initia­tiv­an­trag, also ein­sei­tig ohne die übli­chen Ver­hand­lun­gen und Debat­ten, eine knall­har­te Arbeits­zeit­re­form beschließt – auf Kos­ten jener Men­schen, die für Lohn arbei­ten müs­sen, und zu Guns­ten derer, die von den resul­tie­ren­den Lohn­sen­kun­gen profitieren. 

Dass Kurz sich nun in einer Alli­anz mit dem eben­so hem­mungs­lo­sen CSU-Duo Söder-See­ho­fer dar­an macht, Ange­la Mer­kel zu demon­tie­ren, erscheint da als logi­scher nächs­ter Schritt. Ein „Erfolg“ auch in die­ser Sache wäre dann wohl der poten­ti­el­le Todes­stoß für die Euro­päi­sche Uni­on wie wir sie kennen. 

Damit ist es mit der Zufrie­den­heit dann auf sehr lan­ge Zeit vor­bei. Das Welt­bild, das die­ser Bun­des­kanz­ler malt, ist näm­lich exakt das Gegen­teil von dem, wie ich mir die Welt wün­sche: ich will Frei­heit, er Kon­trol­le; ich set­ze auf die Auf­klä­rung, er auf das Ver­ne­beln; ich will, dass den Armen gehol­fen wird, er macht sie ärmer; ich will mich nicht an die Bil­der von ertrin­ken­den Men­schen gewöh­nen, er aber ver­langt genau das von uns allen; ich erwar­te, dass Men­schen­rech­te ein­ge­hal­ten wer­den, in sei­ner Par­tei wird das als „Hyper­hu­ma­nis­mus“ verunglimpft. 

Nur für den Fall, dass Sie mir bis hier­her gefolgt sind und eben­falls fin­den, dass es nun reicht: Es ist hoch an der Zeit, das auch laut und deut­lich zu sagen! (Das gilt natür­lich auch für Sie, sehr geehr­ter Herr Landeshauptmann!)

Was die­se Regie­rung tut, recht­fer­tigt sie ger­ne damit, dass Sie – „das Volk“, „die Leu­te“, „die Men­schen im Land“ – das von ihr erwar­ten. Und genau das glau­be ich nicht! 

Ich glau­be nicht, dass Sie sich wün­schen, dass Poli­zis­ten auf brau­nen Wal­la­chen durch die Stadt reiten. 

Ich glau­be nicht, dass Sie sich wün­schen, zwölf Stun­den am Tag, 60 Stun­den die Woche arbei­ten zu müs­sen, wäh­rend ihre Kinder …

Ich glau­be nicht, dass Sie sich ein Öster­reich nach unga­ri­schem Vor­bild wün­schen. Dass Sie Men­schen am Stra­chel­draht hän­gen, Men­schen in Lagern kon­zen­triert sehen wol­len … Ach was, ich spa­re mir die Auf­zäh­lung, Sie wis­sen ohne­hin, wovon ich spreche!

Aller­dings glau­be ich, dass es noch nicht zu spät ist. Es macht Sinn, sich zu enga­gie­ren! Etwas zu tun! Mit­zu­re­den! Auf­zu­klä­ren! Zu wider­spre­chen! Zu sagen, dass Sie dies oder jenes nicht wol­len und nicht dul­den werden. 

Sie glau­ben, das bringt nichts? Nun, das erzäh­len Sie bit­te jenen Men­schen, die den ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten gera­de mit ihrem Engag­ment in die Schran­ken gewie­sen haben. Eine Woche lang hat Trump sich gebrüs­tet, dass er soge­nann­ten „ille­ga­len Ein­wan­de­rern“ die Kin­der weg­nimmt und sie ein­sperrt und zur Abschre­ckung lei­den lässt. Dann ist pas­siert, was man bis­her nicht kann­te: Trump muss­te klein bei­geben! Stel­len Sie sich vor: der öffent­li­che Auf­schrei gegen sei­ne kalt­blü­ti­ge Grau­sam­keit hat ihn dazu bewo­gen, die­se unmensch­li­che Maß­nah­me zurück­zu­neh­men. Mit ande­ren Wort: Pro­test wirkt!

Sagen also auch Sie, was zu sagen ist: So nicht, Herr Bun­des­kanz­ler! Es reicht!

PS: Wer sind Strup­pi & Co? Wie Sie wis­sen, wird die Regie­rungs­par­tei FPÖ von einer rechts­extre­men Aka­de­mi­ker-Cli­que – soge­nann­ten Bur­schen­schaf­tern – domi­niert. Mit­glie­der sol­cher Bur­schen­schaf­ten tra­gen neben ihren bür­ger­li­chen auch soge­nann­te Kneip­na­men (Bier‑, Couleur‑, Deck- oder Vul­go­na­men), hei­ßen also etwa Kat­tus, Remus, Opus, Cato oder eben Strup­pi. Damit der Anteil die­ser Bur­schen­schaf­ter am Wir­ken der Regie­rung nicht zu gering geschätzt wird, wer­den sie der Ein­fach­heit hal­ber hier alle­samt zu „Strup­pi & Co“.

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