On the road again. Nachdem wir im Frühjahr mit den beiden Bänden von WIR. HIER UND JETZT eine erfolgreiche erste Tournee durch die Wiener Pensionistenklubs absolviert haben, gehen wir nun in die zweite Runde: vergangenen Donnerstag (21. Oktober) waren wir im Haus Brigittenau (1200) zu Gast, diese Woche werden wir im Pensionistenklub in der Taborstraße (1020) vorlesen, erzählen und diskutieren. Wie vor einem halben Jahr schon stehen auch diesmal Zahra Hashimi und Loujain Jbeil vorlesend im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Nawid Naderi, der uns bisher bei fast allen einschlägigen Auftritten begleitet hat, ist leider nicht mehr dabei: nachdem er fast vier Jahre lang versucht hat, aus seinem Leben in Wien das Beste zu machen und dabei unübersehbar das Beste gegeben hat, wollte man ihn nun nach Afghanistan abschieben. Dem konnte er nur durch eine Flucht aus Österreich entgehen.
„Nawid nahm oft an ‚Wir. Hier und jetzt‘-Lesungen teil, und das hat mich auch interessiert. Er hat mich mitgenommen, und wir waren bei vielen Lesungen dabei.“
„Vom ersten Mal, als ich ihn auf der Bühne sah, bis zu dem Tag, als ich ihn im Gefängnis besuchte, hatte er immer ein Lächeln im Gesicht, das sich nie änderte.“
„Das Leben eines Flüchtlings in einem neuen, fremden Land mag für jemanden, der in Frieden lebt, schwer vorstellbar sein. Denn für so jemanden ist es ja selbstverständlich, dass man in Sicherheit lebt, arbeitet und gutes Essen bekommt. Allerdings wird in anderen Ländern jeden Tag dafür gekämpft, Frieden, Gerechtigkeit, Sicherheit und Demokratie zu bekommen. Ich habe in Syrien hautnah erlebt, wie Menschen auf der Straße erschossen wurden. Wie Menschen auf friedlichen Demonstrationen starben. Wie ein blutiger Krieg begonnen hat. Ich weiß noch immer nicht, wer gegen wen kämpfte, aber was jeder von uns erlebt hat, war der Verlust von Familienmitgliedern, von Verwandten oder lieben Freunden. Koffer wurden gepackt, und wir machten uns auf den Weg, weil jede Hoffnung auf eine Verbesserung dieser Lage genauso wie jedes lächelnde Gesicht verschwand.“
„Im August hat sich Nawid von uns verabschiedet. Hier, in Österreich, konnte er nicht bleiben, weil ihn unser Rechtsstaat nach Afghanistan schicken wollte. Dort wollte er nicht hin, weil er – aus vielen guten Gründen – um sein Leben fürchtet. So hat er sich nach mehr als 1.000 schönen und schweren Tagen in Österreich verzweifelt und verängstigt wieder auf den Weg gemacht. Und wir, seine Freundinnen und Freunde in Österreich, haben das Nachsehen. Wir haben versagt. Es ist uns nicht gelungen, dem jungen Nawid ein würdiges Leben in der Sicherheit unseres Heimatlandes zu ermöglichen.“
„Er hat gleichzeitig in 4 Theatergruppen gespielt und nahm an zahlreichen freiwilligen Aktivitäten teil, was mich sehr beeindruckt hat. Er hat sich sehr gut integriert, er hat es verdient, in Österreich zu bleiben. Es tut mir echt leid, wenn Leute wie Nawid, deren Zukunft so unsicher ist, trotz all ihrer Aktivitäten abgeschoben werden oder flüchten müssen.“
„Nawid war ein netter, freundlicher und hilfsbereiter Mensch mit einer guten Ausstrahlung, der eine einzige, aber große Schuld trägt: Er ist aus Afghanistan geflüchtet. Als ich ihn kennengelernt habe, hatte er noch keinen positiven Asylbescheid, obwohl er schon drei Jahre in Österreich lebte. Aber ich war überzeugt davon, dass er bald einen bekommen würde. Ich meine, er war in der Schule, hat eine Lehre begonnen und war mit einer Theatergruppe unterwegs. Im Juli stellte sich aber heraus, dass er von Österreich nach Afghanistan abgeschoben werden würde, weil es angeblich ein friedliches Land wäre.“