Mein großes Problem ist, dass ich nicht am Meer lebe. Das empfinde ich sehr stark. Mein Schlafzimmer habe ich mit einem fast drei Meter langen, selbst entworfenen Leuchtkasten ausgestattet – da sehe ich ein breites Leuchtdia weit nur den Meereshorizont. Ein paar Jahre lang habe ich in Italien gelebt, zwischen Rom und Neapel, am Meer. Was diese Sehnsucht betrifft, war das wunderbar.
In Wien lebt man eigentlich auch am Wasser. Aber doch nicht so ganz. Die Donau macht einen Bogen um die Stadt. Man denkt oft an den Fluß, aber sieht ihn kaum. Auffällig ist die Donau aber auch aus einem anderen Grund: eigentlich fließt sie schnell, wenn man aber von einer Brücke auf die Donau schaut, scheint es, als ob sie ein stehendes Gewässer wäre. Das passt gut zu dieser Stadt, in der zwei unterschiedliche Tempi nebeneinander wirksam sind. Da gibt es diesen langsamen Unterstrom. In den alten Kaffeehäusern spürt man den in Form einer Schwerfälligkeit, die ihresgleichen sucht. Vieles ist in Wien erhalten geblieben, weil das Tempo eher langsam war und nicht, weil man sich bewußt für den Erhalt entschieden hätte. Ebenso prägend ist aber auch dieser schnellere Überstrom. Wien ist nicht New York, das stimmt schon. Trotzdem hat die Stadt ganz schön Tempo. Und zwar gerade genug, dass man mitkommt. Es gibt eine auffällige Risikobereitschaft hier, die nicht nur aus einer gewinnorientierten Haltung entspringt. Der Cashflow ist nicht das ausschlaggebende Moment in dieser Stadt. Und das läßt gerade auch uns Künstlern gute Möglichkeiten in Situationen, die einem in anderen Städten das Genick brechen würden. In der Schweiz lebt man diesbezüglich ganz anders.
Der Meteoritensaal im Naturhistorischen Museum ist ein Sinnbild dafür. Seit bald 120 Jahren steht die weltgrößte Sammlung dieser „aus dem Weltall auf die Erde herabgestürzten Stein- und Eisenmassen“ unberührt in ihrer Pracht. Einmalig, dass es so etwas noch gibt. Wohl kein anderes europäisches Museum hat sich einen so wunderbaren Ausstellungssaal so originalgetreu erhalten. Mich haben der Saal und die Objekte derart in ihren Bann gezogen, dass ich Wissenschaftler, Philosophen und Schrifsteller eingeladen habe, mit mir ein Buch zu machen: „Meteoriten – was von außen auf uns einstürzt“.
Jüngst habe ich einen Blickwechsel vollzogen. Ich interessiere mich für Globen. Ich sammle sie, weil es extrem sinnliche Objekte sind. Was mich aber am stärksten fasziniert, ist der einfache Entwurf des Globus: man macht einen Schritt aus dem eigenen System raus. Wie wenn man von außen auf sein eigenes Herz schaut. Das wird mein nächstes Buch: Von Keppler bis Google Earth.
Mikro- und Makrokosmos, das ist es eigentlich, was mich beschäftigt. Selbst beim Kochen, das ich mit großer Leidenschaft betreibe, habe ich manchmal die Ursuppe vor mir. Und aus der sind wir doch alle entstanden.