Ich lebe in Williamsburg, in Brooklyn. In einer WG mit drei Mitbewohnern. Morgens gehe ich oft über die Williamsburg-Bridge nach Manhattan, um Frischluft für den Tag zu tanken. Noch nirgendwo auf dieser Welt hatte ich das Gefühl, so gefordert zu sein wie hier. Das ist oft hart. Aber wenn man dann merkt, dass sich all die Arbeit und Mühe gelohnt haben, bin ich wieder im Lot.
Gerade bin ich für das T‑Magazine, das Style-Magazin der New York Times, beim Sundance Film Festival in Park City, Utah unterwegs. Ich soll den Streetstyle und den Dresscode des Festivalpublikums dokumentieren. Hüte, Hauben und Kopfbedeckungen aller Art sind sehr angesagt und ein super Hingucker. Farbenmäßig ist es eher ruhig, viel Schwarz, viel Grau, viel Braun. In Summe ist alles sehr schick. Ich kriege wenig Schlaf, besuche jede Menge Parties, lerne viele Leute kennen und sitze vormittags schon im Kino. Mein erster Frühstücksfilm war „The Trip to Italy“ mit den Comedians Rob Brydon und Steve Coogan. Supergut, superlustig. Noch nie habe ich einen Film gesehen, bei dem das Publikum so ausdauernd gelacht hat.
Für die New York Times zu arbeiten ist natürlich ein big deal. Zu verdanken habe ich das dem Fotografen Ryan McGinley, bei dem ich im Studio arbeite. Er hat mich der Bildredakteurin für meinen ersten Gig vorgeschlagen: die Artbasel in Miami, vergangenen Dezember. In Eigeninitiative hatte ich den Flug nach Florida lange vorher gebucht, einen Tag vor dem Abflug kam der Anruf von der New York Times, ob ich ein paar Stories für sie schießen könnte. Wenn ich jetzt aus Utah zurück bin geht es gleich mit der Fashion Week weiter. Die habe ich schon 2010 und 2011 fotografiert. Das ist eine der intensivsten Woche in der Modemetropole NYC.
Seit ich 2009 einen Award für Modefotografie gewonnen habe, sind meine Arbeiten zwischen Mode und Kunst angesiedelt. Der Mensch ist der Mittelpunkt, Farbe und Details werden betont. Ich mag die glücklichen Zufälle, die einen Ausschnitt aus einem Galeriefolder mit dem Teppichmuster im Apartment eines brasilianischen Bekannten in einem Bild vereinen. Ich achte darauf, dass neben den Auftragsarbeiten Zeit für persönliche Projekte und Ausstellungen bleibt.
Dass ich so leicht und locker durchs Leben gehen kann, gefällt mir. Mein Foto-Equipment passt in einen Rucksack, meine Habseligkeiten haben in einem Zimmer Platz, Flugtickets sind schnell gebucht. Flexibilität und hohes Lebenstempo verschaffen mir Zufriedenheit. Dass ich zum Ausgleich meine Heimaturlaube brauche, gehört dazu. Die Ruhe am Land habe ich als Jugendliche verabscheut, heute freue ich mich drauf. Ich kann mir vorstellen, irgendwann ganz in diese Umgebung zurückkehren. Schließlich steht mein 30. Geburtstag an. Für diesen Lebensabschnitt hatte ich als Kind ein konkretes Bild vor Augen: Haus, Hund, und Garten – eventuell verheiratet. Jetzt ist alles ein bisschen anders gekommen, aber das passt gut so.