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Sonntag, 04. November 2007

Visionen, Zufälle, Hartnäckigkeit

Herwig Kogelnik
Der 75jährige Physiker und Elektrotechniker Herwig Kogelnik begibt sich jeden Tag um neun Uhr in sein Büro, um zu forschen.


Eben war ich auf den Sem­me­ring ein­ge­la­den. Die Öster­rei­chi­sche For­schungs­ge­mein­schaft ver­an­stal­tet all­jähr­lich zum Natio­nal­fei­er­tag einen Wis­sen­schafts­tag. Dies­mal sprach ich dort über Pla­nung ver­sus Frei­heit in der wis­sen­schafl­ti­chen For­schung. For­schung bringt oft die Her­aus­for­de­rung mit sich, begrenz­te Mit­tel mög­lichst opti­mal – sprich: gut geplant – ein­zu­set­zen. Ein sehr kom­ple­xes The­ma, dem ich mich wie ein Natur­wis­sen­schaft­ler über Fall­stu­di­en ange­nä­hert habe.
Ein­stein etwa kam ohne Pla­nung aus: Für sei­ne Ent­de­ckun­gen hat er nur Blei­stift, Papier und Zugang zur Biblio­thek gebraucht. Es gibt auch Fäl­le von seren­di­pi­ty, also von Ent­de­ckun­gen durch glück­li­chen Zufall. Der Ursprung der Radio­as­tro­no­mie vor 75 Jah­ren war so ein Fall: Man woll­te das Rau­schen bei der Über­tra­gung von Kurz­wel­len-Nach­rich­ten unter­su­chen und hat zufäl­lig jene Strah­lung ent­deckt, die aus dem Zen­trum der Milch­stra­ße kommt. Mit­un­ter geht es aber auch nur dar­um, hart­nä­ckig zu sein: In den fünf­zi­ger Jah­ren woll­ten zwei Nobel­preis­trä­ger Charles Tow­nes zum Auf­ge­ben über­re­den. Er sei auf dem Holz­weg. Aber er ließ sich nicht abbrin­gen und ent­deck­te Laser und Maser, des­sen Äqui­va­lent im Mikrowellenbereich.
Manch­mal ver­langt For­schung nach einem Visio­när: Der gebür­ti­ge Wie­ner Rudolf Kom­pf­ner setz­te Anfang der sech­zi­ger Jah­re durch, dass die Bell Labo­ra­to­ries in den USA die Mög­lich­kei­ten der opti­schen Nach­rich­ten­über­tra­gung erfor­schen. Erst 25 Jah­re spä­ter ent­stan­den dar­aus opti­sche Faser­net­ze. Heu­te bewe­gen wir uns ganz selbst­ver­ständ­lich im Inter­net. Ermög­licht hat das der Visio­när Kom­pf­ner, der damals schon fest von sei­ner Sache über­zeugt war und unter ande­ren auch mich als For­scher für die Bell Labs ange­wor­ben hat.
Mein For­scher­all­tag heu­te ist die Beloh­nung dafür, dass ich lan­ge Jah­re dort im Manage­ment tätig war. Gemüt­lich fah­re ich nun jeden Mor­gen um neun ins Büro. Ich arbei­te in der opti­schen Nach­rich­ten­tech­nik, erfor­sche Nicht-Linea­ri­tä­ten, beschäf­ti­ge mich mit der Theo­rie der Wel­len­aus­brei­tung. Umge­ben bin ich nur von Papier­ber­gen, weil ich kein eige­nes Labor betrei­be. Abends las­se ich mich bereit­wil­lig her­aus­reis­sen und fah­re mit mei­ner Frau nach New York. Wir gehen ins Thea­ter oder in die Metro­po­li­tan Opera.
Dass ich in Kärn­ten auf­ge­wach­sen bin, hört man bis heu­te. Mei­ne Schwes­ter Kiki hat die Blei­bur­ger Her­kunft der Fami­lie ihr Leben lang sehr betont: Kiki Kogel­nik, Blei­burg, New York, Paris. Auch ich lebe als For­scher ganz selbst­ver­ständ­lich in bei­den Wel­ten: Prä­si­dent Bush hat mir im Som­mer die Natio­nal Medal of Tech­no­lo­gy ver­lie­hen, von Prä­si­dent Fischer konn­te ich das Ehren­kreuz für Wis­sen­schaft und Kunst ent­ge­gen­neh­men. Die Bemü­hun­gen um die Eli­te­uni­ver­si­tät in Gug­ging beob­ach­te ich mit Inter­es­se und Sym­pa­thie. Ich fra­ge mich nur, wie man die Ein­steins unse­rer Zeit über­re­den will, sich bei Wien anzusiedeln.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 45/2007
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