Eben war ich auf den Semmering eingeladen. Die Österreichische Forschungsgemeinschaft veranstaltet alljährlich zum Nationalfeiertag einen Wissenschaftstag. Diesmal sprach ich dort über Planung versus Freiheit in der wissenschafltichen Forschung. Forschung bringt oft die Herausforderung mit sich, begrenzte Mittel möglichst optimal – sprich: gut geplant – einzusetzen. Ein sehr komplexes Thema, dem ich mich wie ein Naturwissenschaftler über Fallstudien angenähert habe.
Einstein etwa kam ohne Planung aus: Für seine Entdeckungen hat er nur Bleistift, Papier und Zugang zur Bibliothek gebraucht. Es gibt auch Fälle von serendipity, also von Entdeckungen durch glücklichen Zufall. Der Ursprung der Radioastronomie vor 75 Jahren war so ein Fall: Man wollte das Rauschen bei der Übertragung von Kurzwellen-Nachrichten untersuchen und hat zufällig jene Strahlung entdeckt, die aus dem Zentrum der Milchstraße kommt. Mitunter geht es aber auch nur darum, hartnäckig zu sein: In den fünfziger Jahren wollten zwei Nobelpreisträger Charles Townes zum Aufgeben überreden. Er sei auf dem Holzweg. Aber er ließ sich nicht abbringen und entdeckte Laser und Maser, dessen Äquivalent im Mikrowellenbereich.
Manchmal verlangt Forschung nach einem Visionär: Der gebürtige Wiener Rudolf Kompfner setzte Anfang der sechziger Jahre durch, dass die Bell Laboratories in den USA die Möglichkeiten der optischen Nachrichtenübertragung erforschen. Erst 25 Jahre später entstanden daraus optische Fasernetze. Heute bewegen wir uns ganz selbstverständlich im Internet. Ermöglicht hat das der Visionär Kompfner, der damals schon fest von seiner Sache überzeugt war und unter anderen auch mich als Forscher für die Bell Labs angeworben hat.
Mein Forscheralltag heute ist die Belohnung dafür, dass ich lange Jahre dort im Management tätig war. Gemütlich fahre ich nun jeden Morgen um neun ins Büro. Ich arbeite in der optischen Nachrichtentechnik, erforsche Nicht-Linearitäten, beschäftige mich mit der Theorie der Wellenausbreitung. Umgeben bin ich nur von Papierbergen, weil ich kein eigenes Labor betreibe. Abends lasse ich mich bereitwillig herausreissen und fahre mit meiner Frau nach New York. Wir gehen ins Theater oder in die Metropolitan Opera.
Dass ich in Kärnten aufgewachsen bin, hört man bis heute. Meine Schwester Kiki hat die Bleiburger Herkunft der Familie ihr Leben lang sehr betont: Kiki Kogelnik, Bleiburg, New York, Paris. Auch ich lebe als Forscher ganz selbstverständlich in beiden Welten: Präsident Bush hat mir im Sommer die National Medal of Technology verliehen, von Präsident Fischer konnte ich das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst entgegennehmen. Die Bemühungen um die Eliteuniversität in Gugging beobachte ich mit Interesse und Sympathie. Ich frage mich nur, wie man die Einsteins unserer Zeit überreden will, sich bei Wien anzusiedeln.