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Mittwoch, 24. Oktober 2007

Im Nonnenhabit ins Kino

Zoe Schneeweiss
Die 28jährige Wienerin Zoe Schneeweiss hat in London gelernt, dass eine gerechte Gesellschaft einer internationalen Metropole vorzuziehen ist.


Mei­nen Job in einer PR-Agen­tur habe ich als Quer­ein­stei­ge­rin begon­nen. Ursprüng­lich stu­dier­te ich in Eng­land Geschich­te und in Öster­reich Jus. Jetzt betreue ich öster­rei­chi­sche Kon­zer­ne, die an der Wie­ner Bör­se notie­ren, aber aus­län­di­sche Inves­to­ren haben. Die Tele­kom Aus­tria, Wie­ner­ber­ger, die Ers­te Bank. Wir orga­ni­sie­ren auch Pres­se­rei­sen. Zuletzt für die OMV nach Rumä­ni­en. Dem­nächst brin­gen wir im Auf­trag der Tele­kom bri­ti­sche Jour­na­lis­ten nach Wien. Wäh­rend öster­rei­chi­sche Medi­en bereit­wil­lig über die Finanz­ergeb­nis­se der Kon­zer­ne berich­ten, muss man hier schwer dafür arbei­ten, in der Zei­tung vor­zu­kom­men. Es ist nicht ein­fach, eine Jour­na­lis­tin zu über­re­den, dass sie sich mal Zeit nimmt, einen Vor­stands­vor­sit­zen­den zu treffen.
Groß­bri­tan­ni­en ist eine unglaub­lich unge­rech­te Gesell­schaft. Ob am Woh­nungs­markt, im Gesund­heits­we­sen oder im Schul­sys­tem – die Klas­sen­un­ter­schie­de sind über­deut­lich prä­sent. Man trifft nur Men­schen, die einen ähn­li­chen Hin­ter­grund haben. Als ich in Not­ting­ham stu­dier­te, pfleg­te ich zwei unter­schied­li­che Freun­des­krei­se: In dem einen hat­ten alle Pri­vat­schu­len absol­viert, im ande­ren kam man aus öffent­li­chen Schu­len. Wer aus armen Ver­hält­nis­sen stammt, hat kaum Chan­cen auf einen sozia­len Auf­stieg. Das ist wirk­lich nicht die Art von Gesell­schaft, in der ich ein­mal Kin­der auf­wach­sen sehen möch­te. Wien mag klein sein, aber auf Dau­er zie­he ich eine gerech­te Gesell­schaft einer inter­na­tio­na­len Metro­po­le vor. In gewis­sen Tei­len von Lon­don fühlt man sich auf der Stras­se wirk­lich unwohl. Mir selbst ist zum Glück noch nichts pas­siert. Aber eine Freun­din wur­de ver­gan­ge­nes Jahr drei­mal über­fal­len und ausgeraubt.
Wirk­lich erfreu­lich ist die Zei­tungs­kul­tur, ins­be­son­de­re am Sonn­tag. Gewicht und Qua­li­tät der Sun­day Times sind jedes­mal eine Freu­de. Wenn ich genü­gend Zeit habe, lese ich zusätz­lich den Guar­di­an. Zwar wan­dern Sport, Money, Home und Tra­vel ins Alt­pa­pier. Was dann bleibt, ist ein­fach groß­ar­tig. Beson­ders unter­halt­sam wird es, wenn die Redak­ti­on der Sonn­tags­zei­tung ein Thea­ter­stück oder ein Buch ver­reißt, das wäh­rend der Woche in der­sel­ben Zei­tung gelobt wur­de. Das ist eine Eigen­stän­dig­keit und Viel­falt, die man in Öster­reich ver­mis­sen muss.
Bald wer­den mich Freun­din­nen aus Wien besu­chen. Wir wol­len zu Hal­lo­ween ins Prin­ce Charles Cine­ma zu einer Sing-along-Vor­stel­lung von Rocky Hor­ror Pic­tu­re Show. Das Publi­kum kommt zu die­sen Ver­an­stal­tun­gen immer toll ver­klei­det. Bei Sound of Music sind Non­nen­kos­tü­me beson­ders popu­lär. In Wien wäre den meis­ten so ein Spaß lei­der viel zu peinlich.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 43/2007
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