Meinen Job in einer PR-Agentur habe ich als Quereinsteigerin begonnen. Ursprünglich studierte ich in England Geschichte und in Österreich Jus. Jetzt betreue ich österreichische Konzerne, die an der Wiener Börse notieren, aber ausländische Investoren haben. Die Telekom Austria, Wienerberger, die Erste Bank. Wir organisieren auch Pressereisen. Zuletzt für die OMV nach Rumänien. Demnächst bringen wir im Auftrag der Telekom britische Journalisten nach Wien. Während österreichische Medien bereitwillig über die Finanzergebnisse der Konzerne berichten, muss man hier schwer dafür arbeiten, in der Zeitung vorzukommen. Es ist nicht einfach, eine Journalistin zu überreden, dass sie sich mal Zeit nimmt, einen Vorstandsvorsitzenden zu treffen.
Großbritannien ist eine unglaublich ungerechte Gesellschaft. Ob am Wohnungsmarkt, im Gesundheitswesen oder im Schulsystem – die Klassenunterschiede sind überdeutlich präsent. Man trifft nur Menschen, die einen ähnlichen Hintergrund haben. Als ich in Nottingham studierte, pflegte ich zwei unterschiedliche Freundeskreise: In dem einen hatten alle Privatschulen absolviert, im anderen kam man aus öffentlichen Schulen. Wer aus armen Verhältnissen stammt, hat kaum Chancen auf einen sozialen Aufstieg. Das ist wirklich nicht die Art von Gesellschaft, in der ich einmal Kinder aufwachsen sehen möchte. Wien mag klein sein, aber auf Dauer ziehe ich eine gerechte Gesellschaft einer internationalen Metropole vor. In gewissen Teilen von London fühlt man sich auf der Strasse wirklich unwohl. Mir selbst ist zum Glück noch nichts passiert. Aber eine Freundin wurde vergangenes Jahr dreimal überfallen und ausgeraubt.
Wirklich erfreulich ist die Zeitungskultur, insbesondere am Sonntag. Gewicht und Qualität der Sunday Times sind jedesmal eine Freude. Wenn ich genügend Zeit habe, lese ich zusätzlich den Guardian. Zwar wandern Sport, Money, Home und Travel ins Altpapier. Was dann bleibt, ist einfach großartig. Besonders unterhaltsam wird es, wenn die Redaktion der Sonntagszeitung ein Theaterstück oder ein Buch verreißt, das während der Woche in derselben Zeitung gelobt wurde. Das ist eine Eigenständigkeit und Vielfalt, die man in Österreich vermissen muss.
Bald werden mich Freundinnen aus Wien besuchen. Wir wollen zu Halloween ins Prince Charles Cinema zu einer Sing-along-Vorstellung von Rocky Horror Picture Show. Das Publikum kommt zu diesen Veranstaltungen immer toll verkleidet. Bei Sound of Music sind Nonnenkostüme besonders populär. In Wien wäre den meisten so ein Spaß leider viel zu peinlich.