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Donnerstag, 12. April 2007

Triestiner Fusionsküche

Tatiana Yael Silla
Tatiana Yael Silla, 38, übersetzt französische Philosophen ins Italienische, kocht gerne vor multikulturellem Hintergrund und hat ein Buch über die Triestiner Küche verfasst.


Die Geschich­te der unter­schied­li­chen Küchen fas­zi­niert mich schon lan­ge. Zum Glück bin ich in Ita­li­en mit die­ser Vor­lie­be auch gut auf­ge­ho­ben. Dort gibt es ja sogar Uni­ver­si­täts­pro­fes­so­ren, deren Haupt­the­ma die Geschich­te der Gas­tro­no­mie ist. Eines Tages habe ich beschlos­sen, ein Buch über mei­ne Hei­mat­stadt Tri­est zu schrei­ben – nun ist ein Koch­buch (Tri­es­ti­ner Kuli­na­ri­um) dar­aus gewor­den. Die Rezep­te hat­te ich über die Jah­re schon ange­sam­melt. So muss­te ich nur noch ihre Geschich­te erzäh­len. Ein ergie­bi­ges The­ma: Tri­est lebt ja teils von dem Mythos, es sei eine mul­ti­kul­tu­rel­le Stadt. Mit der Wirk­lich­keit hat das wenig zu tun. Die slo­we­ni­sche und die ita­lie­ni­sche Gemein­de leben unge­rührt neben­ein­an­der her und pfle­gen kei­ner­lei Kon­takt. Nur in der Küche, nur am Ess­tisch ist das Mul­ti­kul­tu­rel­le noch Realität.
Die Tri­es­ti­ner Küche ist so inter­es­sant, weil sie von ver­schie­dens­ten Ein­flüs­se geprägt wur­de. Sie lebt von grie­chi­schen Ele­men­ten, von ser­bi­schen, unga­ri­schen und tsche­chi­schen. Wir Tri­es­ti­ner essen Gulasch, ver­ko­chen aber mehr Toma­ten, dafür weni­ger Zwie­bel und Papri­ka. Wir essen Sar­de in Saor, die fri­tier­ten und mari­nier­ten Sar­del­len. Im Gegen­satz zu den Vene­zia­nern las­sen wir aber Pini­en­ker­ne und Rosi­nen weg. Wir haben eine Sacher­tor­te, die wird mit Man­deln berei­tet. Für einen Bolo­gne­sen oder einen Römer hat unse­re Küche nichts mit Ita­li­en zu tun. Sau­er­kraut­sup­pe? Das kön­nen sich die meis­ten Ita­lie­ner gar nicht vor­stel­len. Tri­es­ti­ner Küche ist eben zual­ler­erst Fusionsküche.
Abge­se­hen vom Kuli­na­ri­schen habe ich nie eine gute Bezie­hung zu Tri­est gehabt. Ich fah­re nur noch hin, um mei­ne Fami­lie zu besu­chen oder um Lebens­mit­tel zu kau­fen, die ich in Wien nicht bekom­me, gute Arti­scho­cken oder einen grü­nen Radic­chio. Aber leben möch­te ich nicht mehr dort. Tri­est ist eine ster­ben­de Stadt, die von ihrer geo­gra­phi­schen Lage nicht zu pro­fi­tie­ren weiß. Im Kopf vie­ler Tri­es­ti­ner hat der Krieg bis heu­te kein Ende gefun­den. Dar­an hat auch der Fall des Eiser­nen Vor­hangs nichts geändert.
Ich war froh, als ich mit mei­nen Mann in der Stu­di­en­zeit in Wien gelan­det bin. Damals konn­te ich mir nicht vor­stel­len, je ohne Meer zu leben. Inzwi­schen habe ich die Alte Donau ent­deckt. Von der Spra­che und der Kul­tur läge mir Frank­reich wohl näher. Ich habe Phi­lo­so­phie stu­diert und über­set­ze fran­zö­si­sche Phi­los­phen ins Ita­lie­ni­sche. Oft habe ich davon geträumt, nach Paris zu zie­hen. Aber die Stadt ist zu teu­er und zu stres­sig. Dage­gen Wien: Man kann sich einen Abend im Thea­ter oder im Restau­rant leis­ten, die Kran­ken­kas­se funk­tio­niert, und die Mie­ten sind güns­tig. Außer­dem füh­ren die Super­märk­te jede Men­ge ita­lie­ni­scher Waren. In Paris habe ich Stun­den gebraucht, um riso für mein Risot­to zu fin­den. War­um also soll­te ich Wien je wie­der verlassen?

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 16/2007
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