Was ich kann, habe ich mir großteils selbst beigebracht. Ausgebildet wurde ich in Bern als Volksschullehrer. Aber danach habe ich immer dazu gelernt. Erst war ich Werbetexter. Bei GGK in Basel. Bei Publicis in Zürich. Dann bei Lintas in Wien. Auf Dauer war das nichts für mich: Die Branche ist zu aufgedreht. Daher bin ich Künstler geworden. Gemeinsam mit Eva Wohlgemuth war ich 1997 sogar bei der documenta X in Kassel. Trotzdem hat mich die Kunst nie ernährt. Ich musste stets nebenher arbeiten. Meist war ich Kellner. Mit 40 hatte ich das endgültig satt. Ich wollte etwas Anständiges, etwas Seriöses machen. Ich wollte professionell verkaufen lernen.
Und so bin ich in das nächstgelegene Büro des Versicherungskonzerns Uniqa gegangen: „Guten Tag, ich möchte für Sie arbeiten.“ Ich wurde weggeschickt. Und ich bin wiedergekommen. Immer wieder. Hartnäckig. Ich habe so oft nachgefragt, bis ich einen Dienstvertrag als Außendienstmitarbeiter in der Tasche hatte. Die Uniqa hat mir alle nötigen Schulungen angedeihen lassen. Und hat mich an die Donau-Uni Krems geschickt, wo ich zum Finanzberater ausgebildet wurde.
Seit sechs Jahren verkaufe ich. Bei jedem, den ich treffe, erkundige ich mich, ob er mit seinen Versicherungen zufrieden ist, ob ich ihm helfen kann, Geld zu sparen. Wenn einer nein sagt, lasse ich es gut sein. Wenn er aber herumeiert, höre ich nicht auf. Es ist interessant, dass viele Menschen nicht Nein sagen können. Die haben Angst, dass sie nicht mehr geliebt werden. Dabei ist gerade das ja eine Voraussetzung für Freiheit: dass man nicht glaubt, von jedermann geliebt werden zu müssen. Nur wer autonom ist, kann frei sein.
Meine Kernkundschaft sind Freiberufler. Künstler, Architekten, Grafiker. Das sind tendenziell hochschwellige Kunden, skeptisch bis zuletzt. Die wollen die Sache im Detail erklärt haben. Dafür vergessen sie alles wieder sehr schnell. Ich lerne Menschen dabei sehr persönlich kennen. Erfahre vieles über ihre Ängste, ihre Sorgen. Und auch darüber, was ihnen keine Sorgen macht, aber Sorgen machen sollte.
Nebenher mache ich Kunst am Bau. Ich arbeite mit Architekten und statte deren Bauten mit angewandter, dekorativer Kunst aus. Bei einem Weinviertler Winzer habe ich im Verkostungsraum meine Spuren hinterlassen. Für einen Anwalt habe ich ein riesenhaftes Schrankmonster künstlerisch gestaltet. Bei einem Hotelprojekt arbeite ich an Textilkonzepten für die Rollo- und Blendensysteme. Außerdem betreibe ich eine kleine Tauschplattform. Dort wurde ein alternative Wirtschaftskreislauf in Gang gebracht, wo die Menschen ohne Geld handeln. Also Ware gegen Ware, Dienstleistung gegen Dienstleistung, Ware gegen Dienstleistung.
Das Ausüben all dieser unterschiedlichen Berufe spart mir viel Zeit: Ich arbeite in jedem Beruf weniger, dafür aber viel konzentrierter.