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Donnerstag, 08. März 2007

Träume nicht für später aufheben

Franz Brausam
Zwanzig Jahre hat er hinter Bildschirmen verbracht. Seit drei Jahren lebt Franz Brausam, 42, als Tauchlehrer in Hurghada.


Ich war Auto­me­cha­ni­ker, Gebirgs­jä­ger, Kame­ra­as­sis­tent und Buch­bin­de­rei­hel­fer. Sechs Mona­te habe ich mit einer Ent­wick­lungs­hil­fe­bri­ga­de in Nica­ra­gua ver­bracht und spä­ter war ich noch ein Jahr lang als UN-Sol­dat auf den Golan-Höhen in Syri­en. Aber fast 20 Jah­re mei­nes Lebens bin ich als Video­cut­ter und Web­de­si­gner hin­ter Bild­schir­men geses­sen. Der töd­li­che Motor­rad­un­fall eines Freun­des hat mich dar­an erin­nert, dass man sei­ne Träu­me nicht für spä­ter auf­he­ben darf. Also habe ich mei­ne Lebens­ge­fähr­tin Simo­ne gefragt, ob sie mit mir nach Ägyp­ten kommt. Am Boden­see konn­te ich inner­halb von acht Wochen mei­ne Aus­bil­dung zum dive­mas­ter und zum Tauch­leh­rer absol­vie­ren. Und noch­mal acht Wochen spä­ter saßen wir im Flug­zeug Rich­tung Ägypten.
Das Land ist abso­lut kein Traum­ziel. Nie zuvor hat­te ich mit Men­schen sol­che Schwie­rig­kei­ten. Hin­ter einer sehr dün­nen Fas­sa­de geschäfts­tüch­ti­ger Freund­lich­keit schlum­mert ein poli­tisch-reli­giö­ses Kon­flikt­po­ten­ti­al von bedroh­li­chen Aus­ma­ßen. Nicht nur Tou­ris­ten, auch wir hier leben­den Aus­län­der wer­den immer öfter aggres­siv ange­macht. Dazu die stän­dig prä­sen­te Poli­zei und das Mili­tär. Beam­ten­will­kür und Kor­rup­ti­on sind die Regel, nicht die Aus­nah­me. Man hat nie das Gefühl, in einem demo­kra­ti­schen Staat zu leben.
Für Tau­cher aller­dings ist Hurgha­da fan­tas­tisch. Das Rote Meer ist immer noch eines der Top­zie­le. Ich genie­ße es unge­mein, täg­lich auf dem und im Was­ser zu sein. Mor­gens um acht gehen wir mit unse­ren Gäs­ten aufs Boot. Wenn wir dann um 16 Uhr zur Tauch­ba­sis zurück­keh­ren, haben wir den Tag in einer fas­zi­nie­ren­den Welt ver­bracht. Immer wie­der ertap­pe ich mich bei dem Gedan­ken, dass es mir eigent­lich wahn­sin­nig gut geht. Ich wer­de dafür bezahlt, das zu tun, was ich am liebs­ten tue. Schon drei­mal hat­te ich hier das Glück, einen Wal­hai zu sehen. Bis zu zwölf Meter lang, ist das der größ­te Fisch der Mee­re. So ein Erleb­nis bleibt einem wohl ein Leben lang im Kopf haften.
Poli­tisch küm­me­re ich mich heu­te nur mehr um das, was mir am nächs­ten ist: das Meer. Ich ver­su­che, in mei­nem Umfeld und mit mei­nen Mög­lich­kei­ten zu infor­mie­ren und auf­zu­rüt­teln, wenn Wale getö­tet oder Haie und Del­fi­ne zu tau­sen­den abge­schlach­tet wer­den. Ansons­ten aber bin ich des­il­lu­sio­niert was mei­ne eins­ti­gen Idea­le betrifft.
Gera­de in die­sen Tagen haben wir uns nun auch ent­schie­den, Ägyp­ten den Rücken zu keh­ren. Mit­te des Jah­res wer­den Simo­ne und ich eine Tauch­ba­sis in der Domi­ni­ka­ni­schen Repu­blik übernehmen.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 11/2007
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