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Montag, 05. März 2007

Tabus und Schriftzeichen

Leo Federmair
Der Autor und Übersetzer Leo Federmair, 49, lebt im Ausland, um Länder und Menschen zu verstehen – seit vier Jahren in Japan, wo ihm das Verstehen ausnahmsweise schwer fällt.


Ich habe immer im Aus­land gelebt. In Ita­li­en, Frank­reich und Ungarn war ich jeweils drei bis vier Jah­re als Lek­tor an Uni­ver­si­tä­ten ver­pflich­tet. Dabei ging es mir nie dar­um, eine Aus­lands­er­fah­rung im her­kömm­li­chen Sin­ne zu machen. Ich will das jewei­li­ge Land und sei­ne Spra­che ver­ste­hen. Das ist stets gelun­gen, auch in Argen­ti­ni­en, wo ich 1999 hin­zog. Wich­tig ist nur, dass ich für län­ge­re Zeit an einem Ort sein kann. Dann ist mei­ne Auf­merk­sam­keit gestei­gert, ich lebe also in einem sehr anre­gen­den Zustand.
Bevor es jetzt nach Japan wei­ter­ging, weil in Nago­ya eine Stel­le als visi­ting pro­fes­sor für deut­sche Lite­ra­tur auf mich war­te­te, blieb ich ein Jahr lang unent­schie­den, wo ich künf­tig leben soll­te. Eine Wei­le bin ich sogar zwi­schen Argen­ti­ni­en und Japan gepen­delt. Das war anstren­gend, die Rei­se hat mehr als 24 Stun­den verschlungen.
Inzwi­schen bin ich von Nago­ya wei­ter nach Osa­ka und von dort nach Hiro­shi­ma gezo­gen. Ich bin mit einer Japa­ne­rin ver­hei­ra­tet. Und wir erwar­ten in die­sen Tagen unser ers­tes Kind.
Es ist mir aller­dings noch nie so schwer gefal­len, die Lan­des­spra­che zu erler­nen. Ein­fach nur so, durch Leben und All­tag, kommt man in der japa­ni­schen Spra­che nicht wei­ter. Pro Schrift­zei­chen gibt es meh­re­re Aus­spra­che­mög­lich­kei­ten, je nach Kon­text. Für einen Men­schen jen­seits der vier­zig ist das eine wahn­sin­ni­ge Her­aus­for­de­rung. Zum ers­ten Mal muss ich fest­stel­len, dass der Kopf altert. Ich bin rich­tig ange­strengt. Aller­dings auch wild ent­schlos­sen. Mitt­ler­wei­le beherr­sche ich das Japa­ni­sche wohl bis zu einem gewis­sen Grad – genau genom­men aber ziem­lich schlecht. Ich kann kaum einen Text lesen, an Zei­tungs­lek­tü­re ist nicht zu den­ken. Nur wenn sich jemand gro­ße Mühe gibt, kann ich mit ihm eine ein­fa­che Unter­hal­tung führen.
Japan ist in fast jeder Hin­sicht eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung. Es gibt so vie­le Tabus, die ich nicht ken­nen kann. Dazu den extre­men For­ma­lis­mus. Das Leben dort ist voll ambi­va­len­ter Aspek­te. Wer weiß, ob ich mich je zuhau­se füh­len werde.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 38/2006
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