Ich schreibe nicht über Dinge, von denen ich nichts weiß. Meine Texte enstehen also aus all dem Zeug, das ich aus meinem Kopf ziehen kann. Wichtig ist aber das Konzept, ein Rahmen, den ich mir selber vorgebe, ein paar Regeln. Heute abend wird mein jüngstes Buch in Wien präsentiert, Superheldinnen. Das ist ein Stadtroman für den ich sechs Städte abgeschrieben habe: Graz, Wien, Sarajevo, Zagreb, Berlin und Belgrad. Um eine Stadt abzuschreiben gehe ich auf einen Platz und schreibe auf, was ich lesen kann. Plakate. Werbungen. Graffiti. Verbotsschilder. Vor ein paar Jahren war ich als Stadtschreiberin in Graz engagiert. Damals habe ich diese Methode für mich entwickelt. Ein Heft. Ein Stift. Viel gehen. Man friert. Alles wird nass. Leute quatschen einen an. Man wird verjagt. In Graz habe ich damals viel Kontrollen erlebt und viele Verbotstexte dokumentiert. In Sarajevo gab es das überhaupt nicht: kein einziges Verbot, kein Mensch hat sich interessiert für mein Tun. Zensur übe ich nur bei einer einzigen Sache: Autokennzeichen. Die abzuschreiben, ist mir einfach zu langweilig.
Nachdem ich in jeder Stadt ein bis vier Wochen verbracht hatte, musste ich meine Notizhefte transkribieren. Das ergab ingesamt 200 Seiten Material. Daraus wollte ich dann den Stadtroman schreiben, über das Stadtleben heute, über Menschen, die mit mir zusammen ein Wir bilden. Menschen also, die Städte gewechselt haben, Migranten. Es ist aber kein Migrationsroman. Ich wollte keine Figuren, die Mitleid erregen. Ich wollte Menschen beschreiben, die man cool findet. Superheldinnen. So gesehen bin ich zufrieden mit dem, was mir gelungen ist. Ich habe das Gefühl, dass man das Buch so verstehen wird, wie es gemeint ist. Und jetzt? Jetzt werde ich erstmal berühmt und dann schauen wir weiter.
Mit dem Schreiben habe ich als neunjähriges Mädchen begonnen. Es musste gleich ein Roman sein. Über einen Hund. Nach der vierten Seite gab ich das Projekt aber auf. Und seither übe ich. Ich war nie wirklich zufrieden mit dem, was dabei entstanden ist. Erst über meine Lektoratsarbeiten in einem kleinen Belgrader Verlag habe ich gelernt, Sachen überhaupt einmal fertig zu schreiben und dann zu bearbeiten. Bis dahin bin ich immer an meinem 100-Prozent-Anspruch gescheitert.
2003 war ich schon einmal als Germanistik-Studentin mit einem Stipendium in Wien. Damals belegte ich ein Seminar über Thomas Bernhards Gehen. Ich habe aber immer geschwänzt und auch das Buch erst später dann in Belgrad gelesen. Aus Spaß fing ich damals an, Satz für Satz aus dem Wien der 1970er Jahre in meine Belgrader Welt zu übersetzen. Aus drei raunzenden Rentnern wurden drei Mädchen, die in den Belgrader Clubs die Trostlosigkeit ihrer Existenzen bejammmern. So entstand mein erstes Buch, Ausgehen. Ich nannte es einen Remix. Nicht nur der Methode wegen, sondern auch weil die deutschen Popliteraten so oft nicht hielten, was sie versprachen, wenn sie etwas Remix nannten.