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Dienstag, 11. November 2014

Nichts als Ebola

Thomas Rassinger
Thomas Rassinger, 35, arbeitet als Logistiker für Ärzte ohne Grenzen, derzeit in New York City, NY.


Nach­dem ich matu­riert hat­te, wuss­te ich lan­ge nicht so recht, was ich mit mei­nem Leben machen will. Für eine Wei­le war ich Kas­sier in einer Bank. Eini­ge Jah­re habe ich als Shop­ma­na­ger Han­dies ver­kauft. Als ich eines Tages erfuhr, dass Ärz­te ohne Gren­zen (MSF) Logis­ti­ker sucht, war klar: ich wer­de Logis­ti­ker. Ich habe in Wie­ner Neu­stadt Logis­tik und Sup­p­ly Chain Manage­ment stu­diert und anschlie­ßend in Schlai­ning einen Mas­ter in Peace and Con­flict Stu­dies ange­hängt. Dann wur­de ich gleich rekru­tiert. 2008 war ich zum ers­ten Mal auf Ein­satz, in Dar­fur im Nord­su­dan. Danach war ich in Ugan­da und Äthio­pi­en, im Süd­su­dan und in Paki­stan im Feld.
Seit zwei Mona­ten beschäf­tigt mich nun nichts ande­res als Ebo­la. Ich habe das Gefühl, dass ich tun muss, was immer ich kann, um da zu hel­fen. Die­se Krank­heit weckt Urängs­te, aber nur ratio­nel­les Ver­hal­ten der Men­schen wird hel­fen, sie ein­zu­däm­men. Panik hilft gar nicht. Im Sep­tem­ber war ich vier Wochen lang als Pro­jekt­ko­or­di­na­tor für MSF in Libe­ria. Ich habe Erfah­rung, ich habe schon viel Leid gese­hen, ich weiss, wie man sich auf unsi­che­rem Ter­rain bewegt. Aber die­se vier Wochen haben jeden Rah­men gesprengt. Bei MSF ist man es nicht gewohnt, eine Situa­ti­on nicht in den Griff zu bekom­men. Aber die­ser Ebo­la-Aus­bruch war anfangs ein­fach zu schnell und zu groß, um wirk­lich etwas bewir­ken zu kön­nen. Das all­täg­li­che Leid zu beschrei­ben, fällt mir immer noch schwer. Anfangs hat­ten wir zu wenig Bet­ten und muss­ten Ebo­la-Pati­en­ten abwei­sen. Zu wis­sen, dass ein Erkrank­ter sei­ne Fami­lie anste­cken wird, wenn man ihn weg­schickt, ist ein uner­träg­li­cher Gedan­ke – und doch konn­te man nichts ande­res tun. Trotz alle­dem ist es wich­tig, dort zu sein, Zeu­ge zu sein und der Welt zu erzäh­len, was da pas­siert. Es ver­stört mich mas­siv, wenn ich jetzt als Human Res­sour­ce Offi­cer für MSF in New York mit­an­se­hen muss, wie selbst­be­zo­gen und irra­tio­nal die west­li­che Welt reagiert. So lan­ge im fer­nen Afri­ka täg­lich Tau­sen­de ster­ben, wird das igno­riert. Aber kaum taucht ein Fall in unse­rer Welt auf, wird total über­re­agiert. Wir unter­schät­zen immer noch, wie eng die Welt heu­te ver­netzt ist. Afri­ka zu igno­rie­ren, ist nicht nur aus ethi­schen Grün­den falsch, es ist auch dumm, weil es das Risi­ko für den Rest der Welt erhöht.
Rich­ti­ger­wei­se müss­te heu­te jeder Staat der Welt sein Mög­lichs­tes tun, um West-Afri­ka zu unter­stüt­zen. Medi­en und Poli­tik könn­ten ganz ein­fach trans­pa­rent und ratio­nal agie­ren, anstatt bil­lig Panik­ma­che zu betrei­ben. Wenn man schon nicht bereit ist, im gro­ßen Rah­men Hil­fe zu leis­ten, dann soll man zumin­dest jenen Men­schen, die hel­fen, das Leben nicht zusätz­lich schwer machen. In den USA erle­ben wir gera­de, wie unse­re Kol­le­gen stig­ma­ti­siert wer­den. Man­che trau­en sich nicht mehr in die U‑Bahn oder ins Kino aus Angst, als unver­ant­wort­lich gebrand­markt zu wer­den, obwohl sie gar nicht anste­ckend sind, wenn sie sym­ptom­frei sind. Stel­len Sie sich ein­mal vor, wie das ist: Sie sind über Wochen hin­weg im Ein­satz, erle­ben dabei nur Dra­ma­ti­sches, geben Tag für Tag Ihr abso­lu­tes Maxi­mum und dür­fen wäh­rend all die­ser Zeit kei­nem ande­ren Men­schen nahe sein. Dann kom­men Sie völ­lig erschöpft und aus­ge­laugt zurück in Ihre Hei­mat und wer­den dort erst ein­mal 21 Tage lang in Iso­la­ti­on gehal­ten. Das ist unwürdig!

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 46/2014
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