Ich denke viel nach, beobachte, recherchiere. Ich lote aus, was Kunst heutzutage kann und darf. Im Rotterdamer Rathaus habe ich im Rahmen meines Projekts „Dreamgarden – Internal Landscapes“ heftige Auseinandersetzungen unter den 600 dort arbeitenden Beamten ausgelöst: einige versuchten, das immer wieder auswuchernde Kunstwerk „Virus“ zu demolieren, während andere es immer wieder restaurierten. Mitunter haben Menschen sogar an meinen Installationen kreativ weitergearbeitet. In einem Museum wäre so etwas völlig undenkbar.
Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist das Thema Migration. Gerade bin ich aus Ägypten zurückgekehrt, wo ich mit meinem Partner, dem Anthropologen Samuli Schielke, an einem Dokumentarfilm „Messages from Paradise“ arbeite. Für viele junge Ägypter ist der Westen eine idealisierte Projektionsfläche, eine Art Paradies. Anders als ihre Väter und Großväter erreichen sie diesen Westen nur unter großen Schwierigkeiten oder gar nicht. Diesen Umstand stelle ich im Film den Erzählungen junger ägyptischer Emigranten gegenüber, die ich in Wien kennengelernt habe. Nun treffen Angehörige beider Gruppen ja gelegentlich aufeinander, etwa in den Sommerferien in Ägypten. Dann sprechen sie aber kaum über ihre Erfahrungen und Erwartungen. Es scheint, dass die Migranten zum einen nicht die ganze Wahrheit über ihr oft schwieriges Leben im Westen offenlegen wollen, während die im Land lebenden jungen Ägypter, die vom Westen träumen, diese ernüchternden Schilderungen nicht hören wollen.
Film ist Neuland für mich. Das Medium erlaubt mir, zwei unterschiedliche Positionen in einen Dialog zu setzen. Eigentlich stamme ich aus einer Musikerfamilie, mit der Muttermilch habe ich klassische Musik aufgesogen. Ich selbst habe mich auf experimentelle, improvisierte elektro-akustische und elektronische Musik spezialisiert. Aus Wut auf den experimentellen Musikbetrieb, der wie der klassische auch männlich dominiert ist, habe ich zuletzt eine Konzertserie für Frauen in der elektronischen Musik kuratiert.
Rotterdam ist ein guter Boden für meine Arbeit. Der größte Hafen Europas prägt die Atmosphäre ebenso wie der Umstand, dass der Migrantenanteil über 50 Prozent liegt. Ich bin noch im Alter von 42 Jahren Hausbesetzerin geworden und lebe nun in einem Straßenprojekt namens „Wolfart Kollektief“ mit 30 Künstlerinnen und Künstlern im Süden von Rotterdam, in Oud Charlois, einer etwas rauhen Gegend. Jeder hat seine eigene Wohnung, meine umfasst gar zwei Stockwerke. Wir haben mit dem Hausbesitzer einen zehnjährigen Nutzungsvertrag ausgehandelt und neben den Wohnungen Kunst- und Projekträume eingerichtet. Weil mich das alles inklusive Heizung nur 170 Euro im Monat kostet, kann ich mich hundertprozentig auf meine Arbeit konzentrieren. Wo gibt es das sonst noch in Europa?