Es scheint auf den ersten Blick unvernünftig, als österreichischer Blues-Musiker nach Texas zu gehen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Ich kam nach Dallas und hatte innerhalb weniger Tage einen gefüllten Terminkalender. Im Metroplex Dallas/Fort Worth leben sechs Millionen Menschen. Dort herrscht die größte Gastronomiedichte der USA und zugleich ein eklatanter Mangel an Blues-Pianisten. Perfekt. An fünf Abenden die Woche spiele ich in einer der vielen Weinbars, packe anschließend mein E‑Piano wieder ein und schlafe im eigenen Bett. Dadurch fallen die Reisestrapazen weg und ich verdiene nicht weniger, als würde ich durch die USA touren.
Der traditionelle Blues ist längst eine weiße Angelegenheit. Während junge schwarze Musiker Soul, R&B, Funk oder Hip-Hop machen und die Musik ihrer Väter uncool finden, wird die jetzt von Weißen gepflegt. Gerade auch von europäischen Musikern. Ich bin ein klassischer Vertreter dieses Trends. Ich spiele als Solopianist also Boogie Woogie und Barrelhouse-Blues oder mit Band den Chicago Blues. Diese puristische Haltung kann man museal nennen. Aber solche Kategorien stören mich nicht. Mir geht es nicht darum, ein großer Erneuerer zu sein, ich will Musik spielen, die ich mag.
Der Blues funktioniert auf einer niedrigen emotionalen Ebene, er passt zum Herzschlag, hat etwas Natürliches. Dem Klischee zufolge muss man eine harte Kindheit auf dem Baumwollfeld gehabt haben, um guten Blues zu machen. In Wahrheit ist es nur eine Frage des Gefühls. Man muss sensibel sein, um sich mit dieser Musik ausdrücken zu können. Es geht im Blues ja nicht nur um Frauen und Geld, sondern um das Leben an sich. Larry Garner, der mich vor sieben Jahren in seine Band und damit nach Amerika geholt hat, spiegelt in seinen Texten die ganze Breite des modernen Alltags. Natürlich hat so längst auch das Mobiltelefon seinen Platz im Blues gefunden.
Als 14jähriger kam ich zum ersten Mal mit Blues in Berührung. Mein Bruder, ein Jazz-Fan, nahm versehentlich eine Blues-Sendung im Radio auf und gab mir das Tonband. Ich habe damals meinen ersten Boogie gehört und sah eine Perspektive vor mir: Genau das wollte ich auch machen. Klavierspielen hatte ich schon als Volksschüler gelernt, jetzt musste ich den Blues lernen.
Während sich meine Schulkollegen für Deep Purple und Pink Floyd begeisterten, wurde ich durch meinen Musikgeschmack zum Außenseiter. Andere haben erst Johnny Winter gehört und sind langsam zu den Wurzeln vorgestoßen. Ich habe mich über Platten und Literatur, die ich im Keller der Buchhandlung Kuppitsch fand, in die Musik der 1930er Jahre eingearbeitet. Wenn mir jemand Crossroads von den Cream als gute Musik anpries, habe ich kalt erwidert: „Ja, kenne ich, Robert Johnson, 1936.“ Die haben alle nicht gewußt, dass Rockmusik vom Blues kommt.