Elf Jahre habe ich in Castellon bei Valencia gelebt, bevor ich 1994 meine Frau Maite kennengelernt habe – eine in Wien arbeitende Spanierin, die gerade bei ihrem Vater zu Besuch war. Wenig später habe ich meine Sprachschule übergeben. Und bin mit Maite, die als Fremdenführerin tätig ist, nach Österreich gekommen.
In Mitteleuropa wollte ich immer gerne schon leben. Und die Umstellung ist mir leicht gefallen. Wien kann einem Fremden gegenüber zwar recht heftig sein. Aber ich hatte mit meinen damals 35 Jahren schon eine dicke Haut entwickelt und war adaptionswillig. Seit fünf Jahren haben wir nun auch einen Sohn. Er hat wesentlich zu unserer Integration beigetragen. Durch ihn ist unser Bekannten- und Freundeskreis ziemlich angewachsen. Und so bin ich im Grätzl im achten Bezirk heute ein ganz normaler, anerkannter Mensch.
Eine Weile haben wir überlegt, gemeinsam in Spanien zu leben. Aber das geht nicht. Verglichen mit Wien ist Barcelona ein anstrengender, lärmender Dschungel. Viele Menschen, wenig Platz. Wien ist ruhig, gemächlich, total stressfrei. Unfassbar, dass ausgerechnet die Wiener so viel über Stress reden. In dieser Stadt fährt man mit der Straßenbahn aufs Land. Die breit gefächerten Dienstleistungen sind fast ausnahmslos gut. Es gibt jede Menge schöne Schwimmbäder und wenig kommerziellen Druck. Gehen Sie einmal über die Lerchenfelder Straße. Mit ihren schmutzigen Schaufenstern wirkt diese angebliche Einkaufsstraße wie ein Monument des Antikapitalismus.
Beruflich habe ich es gut getroffen. Anfangs habe ich mein Geld in Wien als Sprachlehrer verdient. Erst bei Berlitz. Später am Wirtschaftsförderungsinstitut, an der Krankenpflegerschule und an der Sicherheitsakademie. Da hatte ich zwei Wochen lang acht Stunden täglich vor 19 Polizisten eine Performance zu bieten – eine besondere Herausforderung. Daneben habe ich Bücher übersetzt, drei Stück über die Gletscherleiche Ötzi. Und Reiseführer geschrieben, über Wien.
Seit Herbst bin ich für die UNO als Korrekturleser tätig. Ich lerne viel über Drucksorten, Schriftarten und diverse Computerprogramme. Inhaltlich sind die Sachen, die ich berarbeite, recht interessant. Es geht um Drogen, Kriminalität, Entwicklungshilfe und Gesundheitsthemen. Heute zum Beispiel habe ich viel über Technologieförderung gelernt.
Obwohl ich vom Büro aus einen tollen Blick auf das Gänsehäufel habe, denke ich manchmal wehmütig daran, wie ich früher in den Eingeweiden dieser Stadt unterwegs war. An hellichten Tagen bin ich in irgendeinem Beisl gesessen und habe die Stadt genossen.