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Donnerstag, 20. Dezember 2007

Mit Gott ins Glück

Marcelus Ofomata
In Lagos hat der 27jährige Marcelus Ofomata Palmöl verkauft. In Wien verdient er sein Geld mit dem Verkauf von Straßenzeitungen.


Ich bin Augus­tin-Ver­käu­fer. Seit drei Jah­ren fin­det man mich immer an der­sel­ben Stel­le, unten in der U‑Bahn-Sta­ti­on Schwe­den­platz, vor den Roll­trep­pen, die zur Roten­turm­stra­ße hin­auf­füh­ren. Mon­tag bis Frei­tag, mor­gens von sie­ben bis zehn, nach­mit­tags von vier bis sie­ben Uhr. Wenn ich nicht da bin, ruhe ich mich aus, koche und esse. Das Ste­hen ist anstren­gend. Beson­ders jetzt, wo es kalt ist und win­dig. Oft habe ich Schmerzen.
An man­chen Tagen ver­kau­fe ich fünf Zei­tun­gen, an ande­ren zehn. Wenn es gut läuft auch mal zwan­zig. Vom Ver­kaufs­preis bleibt ein Euro beim Ver­käu­fer. So ver­die­nen Obdach­lo­se, Arbeits­lo­se und Asyl­wer­ber mit der Stra­ßen­zei­tung Geld.
Ich gehe den Pro­ble­men aus dem Weg, ich tue also mei­ne Arbeit und bezah­le Monat für Monat die Raten für mei­ne Jah­res­kar­te bei den Wie­ner Lini­en. Zum Glück sind die Men­schen hier recht nett zu mir. Sie grü­ßen. Man­che kau­fen mei­ne Zei­tun­gen. Vie­le fra­gen, war­um ich so fröh­lich bin. Gott, ant­wor­te ich dann. Er hilft mir. Er macht mich glück­lich. Geld kann uns Men­schen nicht glück­lich machen, nur Gott kann das. Manch­mal kom­men Leu­te und spu­cken mich an. Beschimp­fen mich. Sie rufen „Nig­ger“. Oder: „schwar­zer Teu­fel.“ – „Geh nach­hau­se“, sagen sie. Ich ant­wor­te: „God bless you.“ Ich weiß, dass Gott mir hilft. Ein­mal wur­de ich von fünf Betrun­ke­nen ange­grif­fen, geschla­gen. Eine Dame hat die Poli­zei geru­fen. Die hat die Betrun­ke­nen verjagt.
In der Nacht zum Sams­tag tra­ge ich Zei­tun­gen aus. Kro­ne, Kurier, Klei­ne Zei­tung, Die Pres­se. Ich brin­ge sie zum Post­kas­ten, weil die Men­schen am Sams­tag nicht zur Arbeit gehen. Ein paar Mona­te lang habe ich auch die Zei­tung Öster­reich ver­teilt, von zwei bis sechs Uhr früh. Sechs Näch­te die Woche, 200 Zei­tun­gen pro Schicht. Quer durch den vier­ten Bezirk. Ande­re Arbeit bekom­me ich als Asyl­wer­ber nicht.
In Lagos war ich Geschäfts­mann, Ölver­käu­fer. In mei­ner Hei­mat­stadt Umu­obom haben wir Palm­öl erzeugt und in die Haupt­stadt trans­por­tiert. Dort habe ich es ver­kauft. In klei­nen Men­gen. Manch­mal auch ein Faß. Wo ich her­kom­me, im Süd­os­ten von Nige­ria, war frü­her Biaf­ra. Zwi­schen Biaf­ra und Nige­ria gab es Krieg. Seit­her wird für einen unab­hän­gi­gen Staat Biaf­ra gekämpft.
Ver­gan­ge­nes Monat habe ich gehei­ra­tet. Mei­ne Frau ist Polin. Sie besucht mich manch­mal in Wien. Eines Tages möch­te ich in Polen leben. Mit mei­ner Frau. Bis dahin blei­be ich in Wien, um die Men­schen hier näher zu Gott zu bringen.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 52/2007
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