Ich bin Augustin-Verkäufer. Seit drei Jahren findet man mich immer an derselben Stelle, unten in der U‑Bahn-Station Schwedenplatz, vor den Rolltreppen, die zur Rotenturmstraße hinaufführen. Montag bis Freitag, morgens von sieben bis zehn, nachmittags von vier bis sieben Uhr. Wenn ich nicht da bin, ruhe ich mich aus, koche und esse. Das Stehen ist anstrengend. Besonders jetzt, wo es kalt ist und windig. Oft habe ich Schmerzen.
An manchen Tagen verkaufe ich fünf Zeitungen, an anderen zehn. Wenn es gut läuft auch mal zwanzig. Vom Verkaufspreis bleibt ein Euro beim Verkäufer. So verdienen Obdachlose, Arbeitslose und Asylwerber mit der Straßenzeitung Geld.
Ich gehe den Problemen aus dem Weg, ich tue also meine Arbeit und bezahle Monat für Monat die Raten für meine Jahreskarte bei den Wiener Linien. Zum Glück sind die Menschen hier recht nett zu mir. Sie grüßen. Manche kaufen meine Zeitungen. Viele fragen, warum ich so fröhlich bin. Gott, antworte ich dann. Er hilft mir. Er macht mich glücklich. Geld kann uns Menschen nicht glücklich machen, nur Gott kann das. Manchmal kommen Leute und spucken mich an. Beschimpfen mich. Sie rufen „Nigger“. Oder: „schwarzer Teufel.“ – „Geh nachhause“, sagen sie. Ich antworte: „God bless you.“ Ich weiß, dass Gott mir hilft. Einmal wurde ich von fünf Betrunkenen angegriffen, geschlagen. Eine Dame hat die Polizei gerufen. Die hat die Betrunkenen verjagt.
In der Nacht zum Samstag trage ich Zeitungen aus. Krone, Kurier, Kleine Zeitung, Die Presse. Ich bringe sie zum Postkasten, weil die Menschen am Samstag nicht zur Arbeit gehen. Ein paar Monate lang habe ich auch die Zeitung Österreich verteilt, von zwei bis sechs Uhr früh. Sechs Nächte die Woche, 200 Zeitungen pro Schicht. Quer durch den vierten Bezirk. Andere Arbeit bekomme ich als Asylwerber nicht.
In Lagos war ich Geschäftsmann, Ölverkäufer. In meiner Heimatstadt Umuobom haben wir Palmöl erzeugt und in die Hauptstadt transportiert. Dort habe ich es verkauft. In kleinen Mengen. Manchmal auch ein Faß. Wo ich herkomme, im Südosten von Nigeria, war früher Biafra. Zwischen Biafra und Nigeria gab es Krieg. Seither wird für einen unabhängigen Staat Biafra gekämpft.
Vergangenes Monat habe ich geheiratet. Meine Frau ist Polin. Sie besucht mich manchmal in Wien. Eines Tages möchte ich in Polen leben. Mit meiner Frau. Bis dahin bleibe ich in Wien, um die Menschen hier näher zu Gott zu bringen.