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Sonntag, 09. März 2008

Irgendwann wieder Fußball spielen

Mojtaba Tavakoli
Der 14jährige Mojtaba Tavakoli ist ein „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ und besucht eine Hauptschule in Niederösterreich.


Ich bin mit mei­nem Bru­der aus Afgha­ni­stan weg­ge­gan­gen. Er ist bei der Über­fahrt im Meer ertrun­ken. Ich kam allei­ne in das Flücht­lings­la­ger Trais­kir­chen. Seit einem Jahr lebe ich in einem Heim der evan­ge­li­schen Dia­ko­nie in Möd­ling. Asyl habe ich bis­her nicht bekom­men, für mich gilt Para­graf 8. Das heißt, dass ich für ein Jahr blei­ben darf, dann wird wie­der neu entschieden.
Das Heim ist ein gro­ßes Haus, mit zehn oder zwölf oder 15 Zim­mern. 38 unbe­glei­te­te min­der­jäh­ri­ge Flücht­lin­ge leben dort. Sie kom­men aus der Mon­go­lei, aus Afgha­ni­stan, aus Nige­ria und aus dem Koso­vo. Ich ver­su­che, mit allen Deutsch zu spre­chen. Deutsch ist die Spra­che, die ich für mei­ne Zukunft brau­che. Wenn einer kein Deutsch ver­steht, spre­che ich Eng­lisch, das habe ich von mei­nem Bru­der gelernt. In der Schu­le ler­ne ich außer­dem Spa­nisch. Im Inter­net lese ich die Nach­rich­ten der BBC am liebs­ten in Far­si, das ist mei­ner Mut­ter­spra­che Dari sehr ähnlich.
Ich lie­be Fuß­ball. Jeden Diens­tag und Mitt­woch schaue ich mir die Spie­le der Cham­pi­ons League im Fern­se­hen an. Bis zum ver­gan­ge­nen Herbst habe ich selbst gespielt, beim 1. SVg Gun­trams­dorf als Stür­mer. Doch am 28. Novem­ber muss­te ich ope­riert wer­den, weil mein lin­kes Bein nach einem Unfall in der Kin­der­heit kurz geblie­ben ist. Wenn ich sit­ze, brau­che ich einen Roll­stuhl, weil das sonst unan­ge­nehm ist. Ich kann aber schon wie­der gehen, mit Krü­cken eben. Irgend­wann wer­de ich wie­der Fuß­ball spie­len können.
Im Heim bekom­me ich 40 Euro Taschen­geld im Monat. Davon kau­fe ich jeden zwei­ten Tag eine Schul­jau­se. Vor eini­ger Zeit habe ich von die­sem Geld ein Buch gekauft, das ich mei­nen Freun­den gebe, damit sie etwas für mich hin­ein schrei­ben. Sehr wich­tig für mich sind Mari­on und Bern­hard, mei­ne Paten aus dem Pro­jekt con­nec­ting peo­p­le. Sie holen mich am Wochen­en­de nach Wien und auch wenn ich län­ger schul­frei habe bin ich bei ihnen. Vor mei­ner Ope­ra­ti­on haben wir in Salz­burg, in Wer­fen­weng, eine Wan­de­rung durch den Schnee gemacht. Die Ber­ge hier begeis­tern mich, aber Ski­fah­ren möch­te ich lie­ber nicht. Ich blei­be Fußballer.
Was mit mei­nen Eltern pas­siert ist, weiß ich nicht. Das Rote Kreuz hat uns vor Kur­zem benach­rich­tigt, dass nicht mehr wei­ter nach ihnen gesucht wird. Nur von einem Onkel, einem Bru­der mei­ner Mut­ter, habe ich einen Brief bekom­men. Ich weiß nicht, in wel­chem Land mei­ne Fami­lie jetzt lebt.
Spä­ter möch­te ich Arzt wer­den. Oder etwas mit Medi­ka­men­ten machen. Jeden­falls will ich Men­schen hel­fen, weil ich gese­hen habe, wie wich­tig es ist, dass einem jemand hilft. Des­halb hof­fe ich, dass ich in Öster­reich blei­ben darf. Denn wenn man hier etwas wirk­lich machen will, dann kann man das auch. Das ist in Afgha­ni­stan nicht so.
Anmer­kung: Con­nec­ting peo­p­le bringt unbe­glei­te­te min­der­jäh­ri­ge und jun­ge erwach­se­ne Flücht­lin­ge, die sich allei­ne, ohne Eltern oder sons­ti­ge ver­trau­te erwach­se­ne Bezugs­per­so­nen in Öster­reich auf­hal­ten, mit öster­rei­chi­schen Erwach­se­nen bzw. schon lan­ge hier leben­den Migran­tIn­nen zusam­men. Das Pro­jekt wur­de von der asy­ko­or­di­na­ti­on öster­reich im Jahr 2001 initiiert.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 011/2008
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