Ich bin zwar in Ohio aufgewachsen, lebte aber immer in dem Gefühl, Europäer zu sein. Ich habe auch keinen ausgeprägten amerikanischen Akzent. Als ich noch ein Kind war, dachten die Leute oft, ich käme aus Übersee. Später habe ich zehn Jahre lang als Tänzer in Kanada gelebt. Eine Hepatits setzte mich für Monate außer Gefecht. Sollte es mir jemals wieder besser gesehen, schwor ich mir damals, würde ich nach Europa übersiedeln. Und so ließ ich eines Tages eine sehr erfolgreiche Karriere als Tänzer und eine fünf Jahre andauernde Liebesbeziehung zurück, um mit zwei Taschen nach Mailand zu fliegen. Gleich bei der Ankunft hatte ich das Gefühl, zum ersten Mal frei atmen zu können. Als ich später nach Sizilien kam, war ich total überwältigt. Ich musste mich bemühen, nicht den Boden zu küssen.
In 13 langen Jahren habe ich herausgefunden, dass Italien nicht das Land ist, in dem ich leben möchte. Palermo, wo ich Tanz unterrichtete, saugt einen aus. Die Stadt ist wie ein gewalttätiger Liebhaber. Österreich dagegen ist ein guter Platz zum Leben. Wien ließ mich von Anfang an ich sein. Die Stadt ist so großzügig, dass sie mir erlaubt, Englisch zu sprechen. Beschämt muss ich gestehen, bis jetzt nicht Deutsch gelernt zu haben.
In diesen Tagen arbeite ich sehr hart, weil ich wieder tanzen möchte. Ich will noch einmal auf die Bühne. Im Frühjahr werde ich in dem Zwei-Personen-Stück As time goes by auftreten. Mit der Regisseurin Anna Hauer und meiner Tanzpartnerin Gabriele Seeleitner will ich herausfinden, was Zeit und Alter einem Tänzer antun. Ist es zulässig, dass eine 47jährige Tänzerin und ein 61jähriger Tänzer noch vor Publikum auftreten?
Manchmal mach ich mir fast in die Hosen vor Angst. Andererseits liebe ich die Arbeit an diesem Stück. Ich mache das ja, weil es Menschen sehen sollen. Ich will, dass es ein Erfolg wird. Es könnte mein letzter großer Auftritt werden.
Ich habe erst mit 23 Jahren zu tanzen begonnen. Damals hieß es, ich sei zu alt, aus mir könne man keinen professionellen Tänzer mehr machen. Mit Ehrgeiz habe ich dieses Vorurteil überwunden. Später habe ich Dutzende Schüler hart rangenommen. Ich entwickelte eine Methode, die es erlaubt, aus gereiften Körpern ernsthafte Tänzer zu formen. Heute kommt mir das zugute. Ich unterrichte täglich mehrere Stunden und mache alles mit. Manchmal arbeite ich an den Gewichtsmaschinen und mache Wassertraining. Das Problem in meinem Alter ist der Muskelabbau. Andererseits kann ich heute Dinge tun, die ein junger Tänzer so nicht zustande bringt. Mein Bewegungen sind ökonomischer geworden. Mein Oberkörper ist flexibel wie nie zuvor. Und mein Gleichgewichtssinn ist besser entwickelt.