Ich male mit Öl und Acryl. Meistens große Formate. Und gerne lustige Sachen. Nackte Frauen mit behaartem Schoß. Ironisch, erotisch, kitschig. Drei Gemälde habe ich verkauft. Aber das tut mir heute noch so weh als hätte ich eigene Kinder verkauft. Zum Glück muss ich schon lange keine Bilder mehr hergeben, weil ich wieder mein Auskommen als Wirt finde.
Zufällig habe ich das Wirtshaus hier in der Nordpolstraße, am nördlichen Rand des Augarten gefunden. Es ist über 100 Jahre alt. Wir haben nur wenig umgebaut, aber die Karte neu erfunden. Wir kochen ehrliches Essen, bodenständige Küche mit böhmischem Touch – ein Kompromiss zwischen den Ansprüchen einer breiteren Gästeschar und meinen eigenen Vorstellungen. Es gibt also auch Ravioli und diverse Selch- und Bratwürste. Vor allem aber servieren wir Fleischknödel, Schopfbraten, Blinis, Mohnnudeln, Liwanzen, Powidltascherl. Wenn jemand nach Saison bestellen will, empfehle ich Grammelknödel.
Ich bin 1979 als Slawistik-Student aus der Tschechoslowakei geflüchtet. In Österreich habe ich mich erst als Hausbursche verdingt. Später erst habe ich an der Hotelfachschule Küchentechnik gelernt. Meine Kochkünste verdanke ich aber meiner Großmutter. Sie ist als Mädchen zu einer Adelsfamilie nach Floridsdorf gekommen, hat ein Leben lang gekocht und sprach akzentfreies Wienerisch. Ich habe ihr Kochbuch und darin die wirklich wichtigen Dinge gefunden. Zum Glück kann ich mich auf unser Personal verlassen. Ein vietnamesisches Zwillingsbrüderpaar macht den Service. In der Küche stehen meine tschechische Frau und unsere serbische Souschefin. Die kommen ohne mich alle gut zurecht. Ich selbst stelle mich nur mehr an den Herd, wenn jemand Svickova bestellt, den Alt-Wiener Lungenbraten, gespickt und im Ganzen gebraten. Die Wurzelrahmsauce läßt sich nicht einfach nach Rezept kochen, da braucht man Erfahrung und Gefühl.
Böhmische Küche ist ja immer noch eine Marktlücke. In Wien gibt es wenig gutes böhmisches Essen. In Prag hat die böhmische Küche zwar einen guten Ruf. Aber wer hinfährt, um gut zu essen, kommt enttäuscht zurück. Die Menschen haben durch das strikte Reglement im Kommunismus das Kochen verlernt. Und die jungen Köche zieht es heute in den bayrischen Wald, wo sie im Gasthaus zur Verbogenen Gabel Cordon Bleu lernen.
Abends ziehe ich mich früh aus dem Wirtshaus zurück. Ich kann dann in Ruhe meine kreative Neigung ausleben, also malen oder schreiben. In zwei Wochen erscheint mein sechster Gedichtband in tschechischer Sprache. Meine Themen? Liebe und Tod, was denn sonst?
Vormittags mache ich Buchhaltung, nachmittags gehe ich einkaufen. Am Markt fotografiere ich gerne – Wiener Gesichter faszinieren mich. Ich schieße die Bilder meist mit einer kleinen Lomo aus der Hand. Ausarbeiten lasse ich sie recht groß auf feinem Papier. Dann hänge ich sie hier im Wirtshaus auf.