0
 0,00 EUR 0 Produkte

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

homeKleine Städte, echte Inländer
Donnerstag, 08. November 2007

Kleine Städte, echte Inländer

Milos Todorovski aus Kraljevo, Alexander Wladigeroff aus Sofia und Andryi Prozorov aus Odessa
Die drei Ausländer bei Fatima Spar & The Freedom Fries: der Akkordeonist Milos Todorovski, der Trompeter Alexander Wladigeroff und der Saxophonist Andryi Prozorov.


Wir haben gut zu tun, es bleibt kaum Zeit, zu leben. Gera­de kom­men wir aus Saal­fel­den zurück, wo wir mit unse­rer Band Fati­ma Spar & the Free­dom Fries auf­ge­tre­ten sind. Bei der Gele­gen­heit fei­er­ten wir gleich den 31. Geburts­tag des Akkor­deo­nis­ten und haben alles kurz und klein geschla­gen. Fast alles. Naja, die Glä­ser jeden­falls. Bes­ser gesagt: es sind ein paar Glä­ser run­ter­ge­fal­len. Wir sind ja eine fried­li­che Band. Gegen Ras­sis­mus, gegen Natio­na­lis­mus, gegen Krieg.
Am Kon­ser­va­to­ri­um wur­den wir als Jazz­mu­si­ker aus­ge­bil­det. Weil wir Tanz­mu­sik mit Swing-Ein­flüs­sen spie­len, wis­sen die Leu­te nicht so recht, wo sie uns ein­ord­nen sol­len. Unse­re CDs wer­den meist unter den Rubri­ken „World Music“ oder „Bal­kan“ ein­sor­tiert. Aber was heißt das schon? Es gibt Plat­ten­lä­den, da fin­det man den Ring des Nibe­lun­gen im Bosa-nova-Regal.
Jetzt fah­ren wir nach Frank­reich, wo wir vier Auf­trit­te haben. Dann gehts in die Schweiz. Anschlie­ßend tre­ten wir in Istan­bul auf, um den Leu­ten zu sagen: Istan­bul darf nicht Wien wer­den. Nein, Quatsch. Wir spie­len, um Spaß zu haben. Um unse­ren Lebens­un­ter­halt zu ver­die­nen. Denn im Dezem­ber sind wir wie­der in Wien, wo das Leben schön aber teu­er ist.
Paris ist lus­tig, da haben wir schon gespielt: Einen gan­zen Abend lang hat man dort kein Wort Fran­zö­sisch gehört, das Publi­kum war bunt gemischt, Marok­ka­ner, Tune­si­er. Weit und breit kein Baguette, dafür Fal­af­fel und Pita. Aber sobald wir aus der Haupt­stadt raus­ka­men, waren nur mehr fran­zö­si­sche Fran­zo­sen bei den Kon­zer­ten. So geht es in vie­len Län­dern: in den klei­ne­ren Städ­ten domi­nie­ren die ech­ten Inlän­der im Publikum.
Wir rei­sen sehr rou­ti­niert. Meist in einem gemie­te­ten Klein­bus, weil Kon­tra­bass und Schlag­zeug beim Flie­gen sehr stö­rend sind. Ein Freund chauf­fiert, damit wir ras­ten kön­nen. Jeder hat einen Lap­top dabei. Einer hört Musik. Der ande­re schaut Vide­os. Einer schläft die meis­te Zeit, selbst in den Pau­sen beim Kon­zert. Ein ande­rer redet dafür dau­ernd. Wir sind extrem unter­schied­lich, kom­men aber gut mit­ein­an­der zurecht. Kos­mo­po­li­ten eben. Wo wir uns bewe­gen, sind wir ein­fach Men­schen. Wir rufen uns gegen­sei­tig auch mit „Du Rus­se“ oder „Du Tschusch“. Ser­be, Bul­ga­re, Ukrai­ner – das sind wir nur bei den Behör­den, wenn wir um unse­re Auf­ent­halts­ge­neh­mi­gung bit­ten müssen.
Fati­ma Spar, die Sän­ge­rin, heißt eigent­lich Nihal Sen­türk. Ihre Eltern sind Tür­ken, sie ist in Vor­arl­berg gebo­ren. Wenn sie in ihrem Dia­lekt spricht, ver­ste­hen wir kein Wort. Wir haben noch zwei Öster­rei­cher in der Band. Phil­ipp, den Bas­sis­ten aus Vor­arl­berg. Und Erwin, den Schlag­zeu­ger aus Klos­ter­neu­burg. Wenn wir in die Tür­kei fah­ren, brau­chen die bei­den ein Visum. Uns Sla­wen las­sen sie ein­fach so rein. Dafür haben wir Zores, wenn es nach Eng­land oder Ame­ri­ka geht.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 46/2007
Teilen Sie diesen Beitrag
© 2024 blinklicht media lab
blinklicht medien rat & tat gmbh
Heinestraße 34/1b
1020 Wien
UID: ATU 62892007
FN: 283345i
usercartmagnifiermenu-circlechevron-down-circle
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram