Als Musiker war ich viel in der Welt unterwegs, immer auch auf der Suche nach interessanten Tönen und Klängen. Dabei habe ich eine merkwürdige Plattensammlung angehäuft, eine Menge Sprach‑, Werbe- und genrefreien Platten. Man muss sich klar machen, welchen Verlust wir mit dem Verschwinden der Vinyl-Kultur hinnehmen. Bei Bildern ist das anders, jedes Bild gehört – pathetisch gesprochen – irgendwie zum Weltkulturerbe. Aber Klänge sind einfach weg.
Als Vinylkünstler trete ich unter dem Namen „djkl & The Temporary Soundmuseum“ auf, zum Beispiel in der Wiener Kunsthalle. Für einen Abend zum Thema „Politik & Militär“ habe ich eine amerikanische Schallplatte aus dem Jahr 1959 rausgesucht: Was tun, wenn die Bombe fällt? Auf diesem Dokument erzählt jemand, was passiert, wenn eine Atombombe explodiert. Wie da über das Sterben von hunderttausenden Menschen gesprochen wird, das wäre im Fernsehen nicht möglich. Als Zuhörer kriegt man eine Gänsehaut, auch diesem Klang kann man sich emotional nicht entziehen.
Wien ist gut zu mir. Ich habe hier eine Art öffentliches Wohnzimmer gefunden, wo ich viel Zeit verbringe – das phil in der Gumpendorferstraße. Da bin ich von Büchern und Platten umgeben und fühle mich wohl. Ursprünglich bin ich als artist-in-residence ins Museumsquartier gekommen. Seither treffe ich mit meiner Arbeit als Klangkünstler hier auf eine Offenheit, die in München kaum vorstellbar ist. Über die „Jeunesse“ biete ich an Schulen workshops an, die Jugendlichen ein Gefühl für ihre Ohren vermitteln sollen. Da entstehen Hörspiele wie „Das klingende Klassenzimmer“. In München wäre das undenkbar, es gibt dort keine solche Organisation.
Aufgewachsen bin ich in einer funktionierenden Multikulti-Gesellschaft, in München-Ludwigsfeld. Dieser abgelegenste Stadtteil wurde als Pilotsiedlung für heimatlose Ausländer aus dem Osten angelegt. Ich bin halb Este, halb Lette, ein klassisches Flüchtlingskind. Wir spielten auf einem betonierten Rollschuhfeld, das einst Fundament einer Küche des KZ-Außenlager Dachau war. Jedes Kind war mindestens zweisprachig. Wir waren Mongolen, Kalmüken, Tschechen oder sonst was. Aber wir teilten ein Schicksal.