Mein Vater war der König der Griot, der König der Kora. Und ich bin sein Sohn, der Sohn des Löwen. Die Kora ist meine Liebe. Sie ist die Mutter aller Harfen. Mit ihr verbringe ich meine Zeit. Sie tröstet mich. Zuhause habe ich in jedem Zimmer eine Kora stehen, im Schlafzimmer, im Wohnzimmer, in der Küche.
Eigentlich hat das Instrument 21 Saiten. Meine Kora hat 22, eine mehr für den Bass. Ich baue sie selbst aus einer getrockneten Kürbishälfte, bespanne sie mit Gazellenhaut oder mit der Haut einer weißen Kuh. Für den Hals nehme ich einen dicken Holzstock. Und die Saiten hole ich im Anglergeschäft. Für eine dicke Saite flechte ich zwei oder drei Angelschnüre ineinander. Gestimmt wird die Kora nach der Tonleiter. Hören Sie nur, wie schön sie klingt wenn ich dazu singe: Fama dengke kana kasi, das heißt „Sohn des Löwen, Du darfst nicht weinen“.
Früher einmal waren die Griots wichtig. Sie haben Geschichten erzählt, sie waren Afrikas Bibliotheken. Und sie haben ihre Könige beraten. Mein Großvater hat seinem König noch gesagt, was im Krieg zu tun ist. Aber heute ist es für einen Griot schwierig geworden. In Afrika. Und in Wien. Niemand interessiert sich mehr für uns.
Schauen Sie nur, was ich mache: Als Griot verdiene ich mir ein paar Euro, indem ich für das Bundesasylamt dolmetsche. Flüchtlinge, die aus dem Senegal, aus Mali, aus Gambia kommen, die sprechen Mandingo. Und das versteht hier kaum jemand. Manchmal brauchen auch die slowakischen Behörden einen Dolmetscher, dann muss ich nach Bratislava. Sonst gibt es nichts zu tun für mich. Beim Arbeitsmarktservice wollen sie, dass ich wieder in der Küche arbeite. Aber das kann ich nicht mehr. Meine Hände … Ich bin Musiker … Schauen Sie diese Narben hier an, die habe ich mir in einem Wienerwald-Restaurant geholt. Mit solchen Schnitten kann man keine Musik machen.
Seit 1997 bin ich in Wien. In den ersten Jahren habe ich in allen großen Sälen gespielt. Im Konzerthaus. In der Stadthalle. In den Sofiensälen. Doch jetzt habe ich schon lange keine Engagement bekommen. Was soll ich denn tun? Ich kann doch nicht zur Polizei gehen und um eine Genehmigung als Straßenmusiker bitten. Wie sieht das denn aus?
Ich träume immer, dass wir alle einmal zusammen in Wien spielen können, eine Jam-Session mit meinen Brüdern. Sie leben auch in Europa. Einer in Bordeaux, einer in Helsinki, ein dritter in Barcelona, einer in Lausanne, einer in Paris. Wir könnten Musik machen, alle zusammen. Die Österreicher haben die Kora doch gern, sie klingt gut in ihren Ohren.