Seit sechs Jahren fotografiere ich ausschließlich Stilleben. Früher habe ich Menschen portraitiert. Doch irgendwann waren die Leute nicht mehr interessant. Zu meinem Glück haben mich damals die Dinge gefunden. Ich sollte für den Geschäftsbericht eines Schweizer Konzerns zwei Monate lang Müll fotografieren. Bei der Gelegenheit habe ich mich in die Objekte verschaut. Mit Dingen kann man viel machen. Mit Dingen kann man die Welt erklären, Geschichten erzählen. Und so lebe ich in meinem Appartment im New Yorker East Village inzwischen mit den vielen Dingen, die mich im Lauf der Jahre gefunden haben. Ich sammle. Nicht wirklich obsessiv, aber doch so ernsthaft, dass ich kein einzelnes Ding namentlich herausheben möchte, weil ich die Eifersucht und die Rache der anderen Dinge fürchte.
Die Dinge finden mich – das klingt ein bisschen esoterisch. Aber würde ich irgendwo auf ein Buch stoßen, das zeigt, wie eine Kuh von innen aussieht – ich würde es kaufen. Nicht, weil ich danach gesucht hätte. Ich wüsste auch gar nicht, ob es so ein Buch gibt. Aber wenn es mich fände, würde ich die Bilder darin sofort in meinem Kopf abspeichern. Da sind sie gut aufgehoben: Neunzig Prozent der Dinge, die ich im Kopf habe, mache ich innerhalb von fünfzehn Minuten in meiner Bibliothek wieder ausfindig.
Die Mode ist ein fruchtbarer Boden für meine Arbeit. Sie produziert unablässig neue Dinge. Und sie bietet mir eine kommerzielle Plattform. Tagsüber bin ich meist damit beschäftigt, eine Idee nach der anderen raus zu schießen. Ich arbeite für den stern und kid’s wear in Deutschland. Für Vogue in Japan. Für Glamour und Numero in Italien. Für Details, V und New York Times Magazine in den USA. Die rufen mich an: Wir hätten diese oder jene Schuhe, fällt Dir da eine Geschichte ein? Dann überlege ich. Welches Magazin ist das? Wie schauen die Schuhe aus? Was brauche ich, um meine Geschichte zu erzählen. Ich beginne zu planen. Ich zeichne und bastle. So entsteht das Bild, das ich später fotografieren werde – ich weiß vorher genau, wie es aussehen muß. Wenn ich die Kamera zur Hand nehme, ist schon alles fertig: ich dokumentiere meine Arbeit nur noch, die Kamera verwende ich wie eine Fotokopiermaschine. Es ist nicht wesentlich, ob ich analog oder digital fotografiere. Allein das Ergebnis zählt, es muss gut aussehen.
Mein Vater ist 1956 aus Ungarn gekommen. Beide Eltern sind Künstler. Mein Bruder hat sich früh von der Kunst distanziert: In der Familie wurde ständig gemalt und gezeichnet, das wollte er nicht. Ich wollte immer zeichnen. Später habe ich an der Hochschule für Angewandte Kunst studiert. Aber ich arbeite lieber für Magazine und in der Werbung als für eine Kunstausstellung. Das macht einfach mehr Spaß. Und die Leute merken ja, ob einer Spaß gehabt hat bei seiner Arbeit: Nur wer Spaß hat, ist gut.