Ich bin wegen der Wissenschaft in Berlin. In Österreich gibt es keine Ausbildung, die einem angelsächischen Postgraduate-Programm vergleichbar wäre. Die Freie Universität Berlin hingegen bietet mir am Graduiertenkolleg „Pfade organisatorischer Prozesse“ ideale Bedingungen: Ich erforsche am Beispiel der Städte Berlin, Frankfurt, München und Wien, nach welchen Kriterien große Kommunalverwaltungen als Pioniere einen Wechsel ihrer Softwareumgebung gestalten. Ob und warum sie von etablierten Microsoft-Produkten auf ein freies Betriebssystem wie Linux umsteigen.
Dabei treiben mich neben wissenschaftlichen Erkenntnisinteressen auch meine politischen Überzeugungen: Ich glaube, dass der freie Zugang zu Wissen und Informationen nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit sondern auch von Vorteil für Wirtschaft und Gesellschaft ist. Und weil von alleine nichts besser wird, engagiere ich mich für dieses Ziel. Zuletzt auch als Co-Herausgeber des Buches Freie Netze. Freies Wissen. Noch nie war es einfacher, Menschen und ihr Wissen in Form von Texten, Bildern oder Tönen zusammenzubringen. Mit dem Zugang zu digitalen Netzen ist aber nicht automatisch der Zugang zu den Inhalten gewährleistet – dem stehen zahlreiche soziale und rechtliche Barrieren entgegen. Unser Buch zeigt ganz unterschiedliche soziale Bewegungen, die allesamt auf solch freien Netzen basieren. Formuliert werden in dem Band auch konkrete Anregungen: Wir glauben, dass Linz als europäische Kulturhauptstadt 2009 vormachen soll, was auf kommunaler Ebene für digitale Freiheiten getan werden muss.
Aus Linz kommend fühle ich mich in Berlin gut aufgehoben. Natürlich spielen die beiden Städte nicht in einer Liga, aber sie haben etwas gemeinsam, was sie von Salzburg oder Wien positiv abhebt: So wie sich Linz nach der Krise der Verstaatlichten Industrie neu erfinden musste, so war für Berlin die Wiedervereinigung eine Art Reset, ein Neustart. All das, wofür Salzburg oder Wien berühmt sind, ist ja auch Ballast. In diesen Städten steht das Alte oft dem Neuen im Weg. Wie barock Wien und seine Bewohner in Wahrheit sind, wird einem in Berlin auf Schritt und Tritt klar. An einem Beispiel: Die niedrigen Ladenmieten in Berlin ermöglichen eine unglaubliche Vielfalt an künstlerischen und kommerziellen Experimenten. Es stimmt, dass junge, kreative Leute fast nichts verdienen, aber dafür können sie in Berlin von fast nichts leben. Das erzeugt ein sehr offenes Klima.
Einmal im Monat findet der Webmontag statt. Da versammeln sich jedesmal gut 50 Menschen, die irgend etwas mit Internet und Neuen Medien machen: Programmierer, Journalisten, Wissenschafter, Unternehmer, Netzaktivisten. Wer Lust hat, kann dort sein Projekt präsentieren und sich Feedback holen. Das zieht inzwischen auch Freunde aus Österreich an: Wer in Berlin lebt, hat eigentlich ständig Besuch.