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Freitag, 28. September 2007

Immer hart am Wind

Angelo Stagno
Der Architekt Angelo Stagno, 46, entwirft Gebäude, die zu seinen Lebzeiten vermutlich nicht realisiert werden können.


Bau­en kann jeder. Das sieht man an all den Ein­fa­mi­li­en­häu­sern. Archi­tek­tur ist aber sub­ti­ler und oben­drein ein sehr lang­sa­mes Sys­tem. Bis neu­es Den­ken und inno­va­ti­ve Mate­ria­li­en in Bau­ten umge­setzt wer­den, ver­ge­hen oft Jahr­zehn­te. Was post­mo­der­ne Archi­tek­ten heu­te bau­en, kommt für mei­nen Geschmack daher oft zu spät. Man baut mal spit­zig und mal kur­vig. Man kon­zen­triert sich auf die For­men. Inno­va­tio­nen bei Mate­ria­li­en und Infra­struk­tu­ren wer­den nur sel­ten the­ma­ti­siert. So ensteht viel lang­wei­li­ges Zeug, für das gro­ße Men­gen Ener­gie ver­schwen­det werden.
Ich arbei­te seit zehn Jah­ren am tor­re del ven­to, einem Wind­turm. Der soll am 508 Meter hohen Scheib­ling­s­tein an der nord­west­lichs­ten Spit­ze von Wien ste­hen. Dort könn­te er 230 Meter auf­ra­gen, dabei aber 1.500-mal so leicht sein wie ein her­kömm­li­ches Hoch­haus. Sei­ne 34 Stock­wer­ke sind in 17 Sek­to­ren gefasst, die auf Rol­len über­ein­an­der geschich­tet sind. Der Wind kann das Haus dadurch lang­sam und har­mo­nisch bewe­gen, als wäre es eine Fisch­flos­se. Weil das gan­ze Gebäu­de 360 Grad um sei­ne Ach­se dreh­bar ist, wird es dabei zur Tur­bi­ne. Es erzeugt mehr Ener­gie, als für sei­nen Betrieb nötig ist. Betrie­ben wird es von den atlan­ti­schen Luft­strö­men, die dort oben auf die Stadt tref­fen. Auf der Donau­plat­te, wo heu­te Hoch­haus­ar­chi­tek­tur ensteht, wäre das Gebäu­de undenk­bar, weil der Wie­ner­wald die Stadt vor die­sen Strö­mun­gen schützt.
Beton, Glas, Stahl – das las­se ich hin­ter mir. Der Wind­turm soll aus Mate­ria­li­en bestehen, die in nano­tech­no­lo­gi­schen Pro­ze­du­ren gewon­nen wer­den. Ich ori­en­tie­re mich am Flug­zeug­bau, wo man schon so arbei­tet. Eines Tages wird man auch in der Bau­in­dus­trie sol­che Mate­ria­li­en pro­du­zie­ren. Mei­ne Situa­ti­on erin­nert an das Barock: Damals hat man aus Glas nur opti­sche Lin­sen gemacht, inzwi­schen baut man glä­ser­ne sky­scra­per.
Ein Bei­spiel so einer neu­ar­ti­gen Infra­struk­tur ist das Pro­jekt „0−24 Licht“, das ich mit Andrea van der Strae­ten beim Haus der For­schung im neun­ten Bezirk rea­li­siert habe. Wir haben dort kein elek­tri­sches, son­dern ein opti­sches Beleuch­tungs­sys­tem gebaut, das eines Tages auch den tor­re del ven­to erhel­len könn­te. Son­nen­licht wird am Dach gesam­melt und über Licht­fa­ser­ka­bel ins Inne­re des Gebäu­des trans­por­tiert. Sobald sich eine Wol­ke vor die Son­ne schiebt, kommt weni­ger Licht ins Gebäu­de. Die Enden der Kabel kann man selbst bei strah­len­dem Son­nen­schein angrei­fen: Das Licht ist schön kalt.
Frü­her war ich Geo­me­ter. Als ita­lie­ni­scher Beam­ter habe ich im Tief­bau an Labo­ra­to­ri­en für die Nukle­ar­for­schung gear­bei­tet. 1989 habe ich gekün­digt und bin nach Öster­reich gekom­men: Ich habe hier Archi­tek­tur stu­diert, um eine neue Her­aus­for­de­rung zu finden.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 40/2007
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