Vor drei Jahren übersiedelten wir zu dritt nach China. Meine Frau Julia, Sinologin und Asien-Fan, war sofort begeistert und unterrichtet heute an einer Yoga-Schule. Unser Sohn Emil, damals zwei Jahre alt, kam gleich in den chinesisch-englischen Kindergarten. Nach wenigen Wochen konnte er sich verständigen, heute klingt sein Chinesisch wie das eines Pekinger Buben. Drei Monate nach unserer Ankunft kam Tochter Greta zur Welt. Sie ist heute eine kleine Chinesin. Beide Kinder benehmen sich nötigenfalls wie Einheimische und schlürfen ihre Suppe überzeugend. Emil isst im Restaurant unaufgefordert gekochten Hühnerkamm mit Stäbchen. Ich selbst habe inzwischen durch den Einfluss meiner Kollegen bei Zhong Yi, dem lokalen Joint Venture der Generali Versicherungsgruppe, einige lokale Angewohnheiten übernommen: im Büro trinke ich permanent grünen Tee, in meinen Antworten lege ich mich nicht fest und leite sie häufig mit einem Vielleicht ein.
Besonders gut gefällt mir in Peking, dass es überall lokale Viertel mit authentischen Märkten gibt. Wenige Gehminuten von unserer Wohnung entfernt kann man von Straßenhändlern lebende Frösche und Hühner kaufen. Zugleich ist diese unfassbar dynamische Stadt modern genug, um ein gutes Leben zu ermöglichen. Diese Gegensätze – Ost und West, Neu und Alt – sind weltweit wohl einmalig.
In der Expat-Community sind alle Länder vertreten, viele haben Kinder im Alter unserer Kinder und so lernt man ständig interessante Leute mit allen möglichen Hintergründen kennen. Wir haben auch eine enge Freundschaft zu den Großeltern eines chinesischen Kindergartenfreundes von Emil aufgebaut und dabei ein typisch chinesisches Familienmodell kennengelernt: die Eltern sind mit der Karriere beschäftig, die Großeltern erziehen das Kind. Darin liegt wohl auch einer der Gründe, warum Freundschaften mit Chinesen so selten sind: die haben im aktiven Alter keine Zeit für so etwas.
Wann immer die Frage auftaucht, ob es nicht an der Zeit wäre nachhause zurückzukehren, passiert wieder etwas Überraschendes. Zuletzt wurde ich von einem Fremden angesprochen, der sich als Filmregisseur vorstellte. Am nächsten Morgen spielte ich die Hauptrolle in einem chinesischen Western: Far Eastwood (siehe unten). Vor ein paar Wochen war Premiere in einem Pekinger Kino. Mit ein bisschen Glück kommt der Film sogar nach Las Vegas in den internationalen Wettbewerb. Im Moment sieht es also ganz danach aus, dass wir noch bisschen hier bleiben. Dann wird im Sommer auch unser drittes Kind in Peking zur Welt kommen.