Ich war vor Kurzem in Mae Sot, einem kleinen Ort im Nordwesten Thailands, direkt an der Grenze zu Birma. Weil es dort Hilfsorganisationen, Schulen und Spitäler gibt, nutzen viele Birmanen die Chance, um vor dem Militärregime zu flüchten. Sie nehmen dabei in Kauf, dass sie allenfalls als illegale Arbeitskräfte geduldet werden. Sie haben keine Ausweispapiere und werden wie Schmarotzer behandelt. Regelmäßig vertreiben die Behörden in spektakulären Großeinsätzen hunderte Flüchtlinge wieder aus dem Land.
Ich war in Mae Sot, um bei anderen Hilfsorganisationen zu erfahren, wie sie ihre Arbeit organisieren und Probleme lösen. Mae Sot ist das Epizentrum des Flüchtlingselends. Alles ist dort auf Birma ausgerichtet: In den Restaurants und an den Straßenständen wird birmanisch gekocht, und in den Cafes kleben „Free Burma“-Sticker.
Ich selbst arbeite in Pa Deng, einem Nest im Süden von Thailand, mitten im Dschungel. Hier leite ich, nur acht Kilometer von der birmanischen Grenze entfernt, im Auftrag des Hilfswerks Austria International und der in Hongkong ansässigen Spendenorganisation Karen Kids Society ein Zentrum, indem etwa 80 Kinder im Alter zwischen drei und 16 Jahren betreut werden. Die Karen sind nach den Birmanen und den Shan die drittgrößte Bevölkerungsgruppe Birmas. Sie werden brutal verfolgt: Militärs brennen ihre Dörfer nieder, Männer werden erschossen, Frauen vergewaltigt. Unter den 600.000 Heimatvertriebenen, die in Thailand Zuflucht suchen, sind die Karen die größte Gruppe.
In Pa Deng bin ich die einzige Ausländerin, alle hier nennen mich Sister Elisabeth. Ich habe sieben bezahlte Mitarbeiter, vom Koch über den Hausmeister bis zum Übersetzer. Wir betreuen die Kinder und betreiben diverse Infrastrukturprojekte. Wir wollen einen Brunnen schlagen, damit wir nicht mehr mühsam das Wasser vom Fluss in das Lager heraufpumpen müssen. Sobald genügend Spenden beisammen sind, wollen wir auch einen Schulbus anschaffen. Ausserdem werden wir die eigene Lebensmittelproduktion ausbauen – fürs Erste mit einer Hasenzucht, einem Hühnerstall und einem Gemüsegarten.
Manche Kinder sind seit drei Jahren im Camp, andere sind so neu hier, dass ihre Beine von den tagelangen Märschen noch zerschunden sind. Die Eltern sind häufig noch in Birma oder leben in der Nähe unseres Zentrums. Einige Kinder sind Waisen oder wurden im Stich gelassen. Die meisten wissen nicht, wann sie geboren wurden. Fast alle kommen ohne Schulbildung ins Camp. Um sie auf ein selbständiges Leben vorzubereiten, wollen wir ein Berufszentrum aufbauen, wo sie als Mechaniker, Elektriker oder Schneider ausgebildet werden.