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Freitag, 26. Januar 2007

Große Freiheit in Down Under

Christian Veit
Der Flugzeugtechniker Christian Veit, 34, wartet die Boeing-Maschinen der australischen „Qantas“. Seit er Österreich hinter sich gelassen hat, fühlt er sich staatenlos.


Mei­ne mut­ter­sprach­li­chen Fähig­kei­ten sind in sie­ben Jah­ren Aus­tra­li­en ziem­lich ver­kom­men. Mei­ne Frau und ich unter­hal­ten uns zwar noch auf Deutsch, damit wir das nicht kom­plett ver­ler­nen. Und weil ich ein gro­ßer Fan von Mundl Sack­bau­ers „Ein ech­ter Wie­ner geht nicht unter“ bin, habe ich für www​.mundl​.net mona­te­lang alle Ton­do­ku­men­te für den Down­load vor­be­rei­tet. Ansons­ten läuft unser Leben exklu­siv auf Eng­lisch. Kon­takt haben wir nur mit Australiern.
Im Nor­mal­fall fühlt man sich nach einem mehr­wö­chi­gen Urlaub schlag­ar­tig wie­der zuhau­se sobald man in die eige­ne Stra­ße ein­biegt. Die­ses Gefühl ist mir ver­lo­ren gegan­gen. Zwar wirkt bei einem Öster­reich-Besuch vie­les ver­traut, aber „Zuhau­se“ ist das längst nicht mehr. Es scheint, dass ich nach der Aus­wan­de­rung mei­ne Wur­zeln her­aus­ge­ris­sen habe. Eigent­lich füh­le ich mich staa­ten­los – was durch­aus unan­ge­neh­me Gefüh­le her­vor­ruft, aber zugleich eine gro­ßes Maß an Frei­heit mit sich bringt. Und das kommt mir ent­ge­gen: Ich bin rast­los und aben­teu­er­lus­tig. Früh schon habe ich mich zum Fall­schirm­sprin­ger aus­bil­den las­sen, bin Klet­tern gegan­gen und Tauchen.
In Öster­reich ist mir die Decke auf den Kopf gefal­len. Ich war 25 Jah­re alt, hat­te mei­ne Aus­bil­dung als lizen­sier­ter Luft­fahr­zeug­wart abge­schlos­sen und war Flug­zeug­tech­ni­ker bei der Lau­da Air. Ich hat­te eine Woh­nung gekauft, hat­te mei­ne Lebens­part­ne­rin gefun­den. Ein ruhi­ges Leben in einem Ein­fa­mi­li­en­haus in Gän­sern­dorf stand mir bevor. Der nächs­te grö­ße­re Schritt schien die Pen­sio­nie­rung zu sein.
Der Kon­takt mit die­sen welt­rei­sen­den Leih­ar­bei­tern, die man in der Luft­fahrt­in­dus­trie über­all trifft, hat mich auf Ideen gebracht. 1999 habe ich mich in Aus­tra­li­en bei Qan­tas bewor­ben und wur­de nach einem tele­fo­ni­schen Vor­stel­lungs­ge­spräch prompt enga­giert. Ich habe mei­ne Fami­lie infor­miert, mei­ne Part­ne­rin schnell gehei­ra­tet und mich vier Wochen spä­ter ins Flug­zeug gesetzt. Dag­mar hat zwei Mona­te spä­ter ihren Beruf auf­ge­ge­ben und ist nach­ge­kom­men. Und nun leben wir als aus­tra­li­sche Durch­schnitts­bür­ger in einem gemie­te­ten Ein­fa­mi­li­en­haus am Ran­de von Mel­bourne. Ich arbei­te im inter­na­tio­na­len Lini­en­flug­ver­kehr und bin für Abfer­ti­gung, Inspek­ti­on, Feh­ler­su­che und Repa­ra­tur der Flug­zeu­ge zustän­dig. Nach der Arbeit gehen wir ins Kino oder tref­fen Freun­de. Nicht aufregend.
Das Land ist fas­zi­nie­rend, die Ein­woh­ner sind extrem freund­lich – ein Leben in Aus­tra­li­en ist wärms­tens zu emp­feh­len. Die Locker­heit und Unge­zwun­gen­heit der Men­schen hier ist kaum in Wor­te zu fas­sen. Ein­wan­de­rer sind wohl grund­sätz­lich auf­ge­schlos­se­ner, muti­ger und fle­xi­bler als Men­schen, die ihr gan­zes Leben in einem klei­nen Dorf ver­brin­gen und ihr All­tags­wis­sen aus einer klei­nen Zei­tung beziehen.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 5/2007
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