Meine muttersprachlichen Fähigkeiten sind in sieben Jahren Australien ziemlich verkommen. Meine Frau und ich unterhalten uns zwar noch auf Deutsch, damit wir das nicht komplett verlernen. Und weil ich ein großer Fan von Mundl Sackbauers „Ein echter Wiener geht nicht unter“ bin, habe ich für www.mundl.net monatelang alle Tondokumente für den Download vorbereitet. Ansonsten läuft unser Leben exklusiv auf Englisch. Kontakt haben wir nur mit Australiern.
Im Normalfall fühlt man sich nach einem mehrwöchigen Urlaub schlagartig wieder zuhause sobald man in die eigene Straße einbiegt. Dieses Gefühl ist mir verloren gegangen. Zwar wirkt bei einem Österreich-Besuch vieles vertraut, aber „Zuhause“ ist das längst nicht mehr. Es scheint, dass ich nach der Auswanderung meine Wurzeln herausgerissen habe. Eigentlich fühle ich mich staatenlos – was durchaus unangenehme Gefühle hervorruft, aber zugleich eine großes Maß an Freiheit mit sich bringt. Und das kommt mir entgegen: Ich bin rastlos und abenteuerlustig. Früh schon habe ich mich zum Fallschirmspringer ausbilden lassen, bin Klettern gegangen und Tauchen.
In Österreich ist mir die Decke auf den Kopf gefallen. Ich war 25 Jahre alt, hatte meine Ausbildung als lizensierter Luftfahrzeugwart abgeschlossen und war Flugzeugtechniker bei der Lauda Air. Ich hatte eine Wohnung gekauft, hatte meine Lebenspartnerin gefunden. Ein ruhiges Leben in einem Einfamilienhaus in Gänserndorf stand mir bevor. Der nächste größere Schritt schien die Pensionierung zu sein.
Der Kontakt mit diesen weltreisenden Leiharbeitern, die man in der Luftfahrtindustrie überall trifft, hat mich auf Ideen gebracht. 1999 habe ich mich in Australien bei Qantas beworben und wurde nach einem telefonischen Vorstellungsgespräch prompt engagiert. Ich habe meine Familie informiert, meine Partnerin schnell geheiratet und mich vier Wochen später ins Flugzeug gesetzt. Dagmar hat zwei Monate später ihren Beruf aufgegeben und ist nachgekommen. Und nun leben wir als australische Durchschnittsbürger in einem gemieteten Einfamilienhaus am Rande von Melbourne. Ich arbeite im internationalen Linienflugverkehr und bin für Abfertigung, Inspektion, Fehlersuche und Reparatur der Flugzeuge zuständig. Nach der Arbeit gehen wir ins Kino oder treffen Freunde. Nicht aufregend.
Das Land ist faszinierend, die Einwohner sind extrem freundlich – ein Leben in Australien ist wärmstens zu empfehlen. Die Lockerheit und Ungezwungenheit der Menschen hier ist kaum in Worte zu fassen. Einwanderer sind wohl grundsätzlich aufgeschlossener, mutiger und flexibler als Menschen, die ihr ganzes Leben in einem kleinen Dorf verbringen und ihr Alltagswissen aus einer kleinen Zeitung beziehen.