Drinnen? Draussen? So einfach ist die Sache nicht. Ich bin 1990 aus Zagreb nach Wien gekommen. Zehn Jahre habe ich als Ausländer in Österreich gelebt, ein echter Jugo also. Über meine Staatsbürgerschaft habe ich mir damals kaum Gedanken gemacht. An das Projekt der kroatischen Unabhängigkeit habe ich allerdings nie geglaubt. Indem ich das mehrfach kundgetan habe, bin ich mit der intellektuellen Elite Kroatiens heftig aneinandergeraten. Erst dabei dämmerte mir, dass ich kein kroatischer Staatsbürger sein will. Also wurde ich Österreicher. Und zwar ohne doppelten Boden: Ich hab einen neuen Pass bekommen und den alten zurückgegeben. Kurz darauf habe ich Wien verlassen. So bin ich nun Österreicher im Ausland.
Meine Frau ist Deutsche, trägt einen japanischen Vornamen und einen österreichischen Nachnamen. Ihre Mutter stammt aus Japan, die Familie ihres bayrischen Vaters aus der Steiermark. Nun haben meine kroatischen Vorfahren hart an der slowenischen Grenze gelebt, die ursprünglich die Grenze zur Südsteiermark war. Man könnte also sagen, dass wir unsere gemeinsamen Wurzeln an dieser Grenze gefunden haben. „Komm mit nach Varasdin …“, könnte ich mit dem Buffo in Kálmáns Operette „Gräfin Mariza“ singen.
Allerdings glauben wir beide nicht an dieses Wurzelgerede. Der Mensch ist kein Baum, hat Vilem Flusser treffend gesagt. Wir leben in der Welt, in Europa. Als Freiberufler verdienen wir unser Geld in der Kunst- und Kulturbranche, wir führen also ein Nomadenleben. Wir ziehen von einem Job zum anderen, von einem Kulturinstitut zur nächsten Universität. Von London nach Sarajevo. Oder, gerade heute, von Berlin nach Stockholm. All das unter modernen prekären Arbeitsumständen, ohne sichere Zukunft und ohne touristische Sorglosigkeit.
Vor einem Jahr ist unsere Tochter Esme in London zur Welt gekommen. Als wir Großbritannien verlassen wollten, brauchten wir dringend Dokumente für sie und haben uns an die deutsche Botschaft gewandt. Für die deutsche Staatsbürgerschaft fehlte allerdings ein Papier. Weil unsere Wohnung bereits gekündigt war, konnten wir darauf nicht warten. So gingen wir in unserer Verzweiflung zur österreichischen Botschaft nebenan, wo eine nette Dame mit Blick auf unser Baby konstatierte: „Ah, Sie haben also keine Dokumente für die Kleine. Dann schaumma halt einmal.“ Ich war erleichtert, weil von da an klar war, dass Esme Österreicherin werden würde. Genauer gesagt: eine Österreicherin im Ausland. In ihren ersten zwölf Monaten hat sie 15 Staaten bereist. Sie ist eine österreichische Weltbürgerin.