Dass ich eine Amerikanerin geheiratet habe und in New York gelandet bin – da steckt kein großer Plan dahinter. Dass ich mir nach einem Autounfall vom Schmerzensgeld eine Wohnung in Brooklyn kaufen konnte – auch Zufall. Dass ich heute mit Menschen arbeite, die mich früh schon beeindruckten – noch ein Zufall, der interessanteste vielleicht.
Als Filmlehrling in den späten siebziger Jahren war ich neben der Avantgarde vor allem von B‑Movies fasziniert. Tanz der Teufel. Die Nacht der lebenden Toten. Blutgericht in Texas. Das war meine Welt. Damals träumte ich davon, nach Amerika zu gehen und dort als Kameramann solche Schundfilme zu drehen. Als ich – 15 Jahre zu spät – hier angekommen bin, gab es diese billigen, anarchischen Exploitation-Filme leider nicht mehr. Aber die Typen, die sie gemacht haben, sind noch aktiv.
Der Regisseur Simon Nuchtern etwa. Vor 25 Jahren habe ich seinen Namen im Horror-Klassiker The Evil Dead im Abspann gesehen. Ohne seine technische Hilfe hätte dieser Film nie das Licht der Leinwand erblickt. Seit zehn Jahren arbeite ich nun schon mit ihm zusammen. Wir ergänzen uns ideal: Obwohl wir meist auf Video arbeiten, drehen wir kaum mehr, als wir brauchen. Oft bringen wir von einem Drehtag nur 20 Minuten Material mit. Davon ist aber fast alles verwendbar. Wie bei den alten B‑Movie wollen wir mit einfachsten Mitteln maximalen Effekt erzielen.
Oder Bill Milling. Er war bei Nightmare, Blonde Goddess und Savage Dawn dabei. Der betreibt ein Studio mit green screen in New York. Bei ihm drehen wir Menschen oder Objekte vor einem grünen Hintergrund, den man später durch einen anderen Hintergrund ersetzen kann. Als ich zum ersten Mal bei Bill war, sah ich ein Plakat von Squirm – Invasion der Bestien. Als Mittelschüler hatte ich den Film in Linz gesehen. Bill erzählte mir stolz, für Squirm die Spezialeffekte gemacht zu haben, menschenfressende Killerwürmer.
Oder Bob Gallagher. Er hat bei Das ist Amerika mitgearbeitet, einer der wichtigsten shockumentaries. Als ich in Los Angeles zwei Herren aus der Chefetage eines internationalen Konzerns bei einer Doppelconference über firmeninterne Ethik, Mobbing und sexuelle Belästigung filmen musste, hat er mir geholfen: Er hatte ein Atelier, in dem ein Bestattungsinstitut als Kulisse aufgebaut war. In der Nacht vor unserem Dreh haben sie dort noch Szenen gedreht, in denen Leichen durch Sex wieder zum Leben erweckt wurden. Wir haben morgens die Särge rausgeschafft, den Raum mit ein paar Griffen in ein edles Vestibül umgestaltet, neu ausgeleuchtet und die beiden Herren reingesetzt. Grandios. Es ist ein Genuss, mit diesen Schundfilm-Veteranen zu arbeiten. Die wissen genau, was sie wollen. Leider ist Bobby vorletztes Jahr gestorben. Er war genauso alt wie ich.