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Sonntag, 01. April 2007

Der Kampf um meinen guten Ruf

Valbona Naku
Die Geigerin Valbona Naku, 28, wurde am Wiener Prayner-Konservatorium in Rekordzeit diplomiert und dann von einem Hochstapler als Konzertmeisterin engagiert.


Am 19. Novem­ber 1999 kam ich nach Wien. Ich konn­te kein Wort Deutsch. Von mei­nem sechs­ten Lebens­jahr an hat­te ich in Shko­dra Gei­gen­un­ter­richt bekom­men, streng nach der rus­si­schen Metho­de: Bei Feh­lern wirst Du geschla­gen, Dein Spiel wird aggres­siv. Du bist nicht lei­den­schaft­lich, funk­tio­nierst wie ein Motor, spielst sau­be­re Töne. Nach zehn Jah­ren konn­te ich nicht mehr. Mei­ne Schwes­ter Mira, die schon in Wien war, hat mich schließ­lich über­zeugt, es hier von neu­em zu versuchen.
Vom ers­ten Tag an war mir Wien ein Zuhau­se. Die Musik hat mich begeis­tert: Lud­wig Hirsch, Ambros, Fend­rich. Die Alba­ner sind heiß­blü­ti­ger, aber ihr Humor ist dem der Wie­ner sehr ähn­lich. Kai­ser­müh­len Blues, MA 2412 und „Ein ech­ter Wie­ner geht nicht unter“ – das Fern­se­hen war mein ers­ter Deutschkurs.
In nur drei Jah­ren konn­te ich am Kon­ser­va­to­ri­um für Klas­sik und Dar­stel­len­de Kunst mein Diplom als Gei­ge­rin machen. Weil ich kei­ne EU-Bür­ge­rin bin, las­sen mich vie­le Orches­ter aber nicht ein­mal Pro­be­spie­len. Da habe ich mich gefreut, als mir der Direk­tor des Kon­ser­va­to­ri­ums im Früh­som­mer Herrn Kaf­ka vor­ge­stellt hat: Peter Kaf­ka, so hieß es, sei Coun­ter­te­nor und Inten­dant und auf der Suche nach einem Orches­ter. Geld, sag­te Kaf­ka, sei kein Pro­blem, nur die Zeit sei knapp: In weni­gen Wochen müss­ten wir die 25 schöns­ten Ari­en aus Opern von Gluck bis Wag­ner ein­spie­len. Erst soll­ten wir zu den Salz­bur­ger Fest­spie­len auf­tre­ten. Schließ­lich stand das Palais Schwar­zen­berg in Wien auf dem Pro­gramm: Am 3. August soll­te dort unser ers­ter Auf­tritt über die Büh­ne gehen.
Als Kon­zert­meis­te­rin habe ich für Herrn Kaf­ka ein klas­si­sches Orches­ter auf­ge­stellt. Ich habe Pro­ben orga­ni­siert, Pul­te geschleppt und war Bin­de­glied zwi­schen Inten­dant und Orches­ter. Zwei Mona­te lang lief alles über mich. Mit Bal­lett­tän­zern, Sän­gern und Schau­spie­lern waren bald 60 Künst­ler unter Ver­trag. Geprobt haben wir im Musik­ver­ein und sogar in der Staatsoper.
Am 2. August war Gene­ral­pro­be. Gefehlt hat nur Peter Kaf­ka. Der sitzt seit­her in Unter­su­chungs­haft, heißt in Wahr­heit Peter W. und steht wegen ein­schlä­gi­ger Delik­te seit lan­gem auf den Fahn­dungs­lis­ten. Schlag­ar­tig waren alle arbeits­los. Kei­ner hat sein Hono­rar bekom­men. Man­che konn­ten ihre Mie­te nicht mehr bezah­len. Eine Sam­mel­kla­ge gegen einen mit­tel­lo­sen Hoch­stap­ler – das ist alles, was uns Künst­lern blieb.
Das Leben in Wien ist jetzt här­ter als zuvor. Ich arbei­te als Kon­zert­meis­te­rin für die Donau Phil­har­mo­nie Wien und für den Josef Haydn Kon­zert­ver­ein, als Gei­ge­rin, als Leh­re­rin, als Kell­ne­rin. Ich habe Geld ver­lo­ren, aber vor allem mei­nen guten Ruf: Nach alle­dem kann ich doch kei­nem Musi­ker mehr einen Job anbieten.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 3/2006
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