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Sonntag, 13. Januar 2008

Champion unter den Viren

Peter Palese
Der 63jährige Virologe Peter Palese ist Vorstand des Institut für Mikrobiologie an der Mount Sinai School of Medicine.


Als jun­ger For­scher war ich rich­tig gut und flink im Labor. Inzwi­schen stel­len mich die jün­ge­ren mit ihrer Fin­ger­fer­tig­keit in den Schat­ten. Sie sind kon­zen­trier­ter. Aber ich genie­ße es immer noch, mit­ten im Labor zu arbei­ten. Natür­lich könn­te ich ein reprä­sen­ta­ti­ves Office haben, aber dann fehl­te mir etwas. Zum Glück bin ich mit der Ver­wal­tung nicht all­zu sehr belas­tet. Daher kann ich wie mei­ne 150 Mit­ar­bei­ter wirk­lich for­schen. Und das tue ich sechs Tage die Woche von früh bis spät.
Wir konn­ten zum Bei­spiel jenes Virus rekon­stru­ie­ren, das die Spa­ni­sche Grip­pe von 1918/19 aus­ge­löst hat. Es gab vie­le ande­re Viren, die welt­wei­te Grip­pe-Epi­de­mien aus­ge­löst haben, soge­nann­te Pan­de­mien. Die Asia­ti­sche Grip­pe von 1957 etwa. Oder die Hong­kong Grip­pe von 1968. Doch kein Erre­ger war so viru­lent wie der von 1918. Rund 50 Mil­lio­nen Tote – so etwas gibt es nur ein­mal im Millenium.
Die US-Armee ver­fügt über ein phan­tas­ti­sches Patho­lo­go­ie-Archiv. Dort konn­te man von Men­schen, die 1918 gestor­ben sind, Gen-Sequen­zen jenes Virus gewin­nen. Im Labor ist es dann gelun­gen, es nach­zu­bau­en. Wir haben anschlie­ßend Tie­re infi­ziert und her­aus­ge­fun­den, war­um die­ses Virus so beson­ders war: Eine ein­zig­ar­ti­ge, idea­le Kon­stel­la­ti­on sei­ner acht Gene mach­te es so virulent.
Ein Hoch­leis­tungs­ath­let, der Welt­re­kord lau­fen will, braucht außer lan­gen Bei­nen auch Arme, er braucht eine ent­spre­chen­de Lun­gen­funk­ti­on und zahl­rei­che ande­re Vor­aus­set­zun­gen. Erst die Kom­bi­na­ti­on aller Eigen­schaf­ten kann ihn zum Cham­pi­on machen. Das hat im Fall des Grip­pe­er­re­gers etwas Beru­hi­gen­des: Weil es bei Viren auf die rich­ti­ge Kom­bi­na­ti­on der Gene ankommt, ist es nicht sehr wahr­schein­lich, dass in abseh­ba­rer Zeit eine ver­gleich­ba­re Pan­de­mie auf­tritt. Zwar kön­nen sich Viren, die Tie­re betref­fen, so ent­wi­ckeln, dass sie für den Men­schen gefähr­lich wer­den – aber die Wahr­schein­lich­keit ist gering.
Das heißt nicht, dass wir uns zurück­leh­nen könn­ten. Wir müs­sen die Impf­in­dus­trie unter­stüt­zen, damit sie in kür­zes­ter Zeit das jeweils aktu­el­le Grip­pe­vi­rus her­stel­len kann. Jeder Mensch soll­te Zugang zu der gewöhn­li­chen Grip­pe­imp­fung haben. Dann gäbe es nur noch einen ein­zi­gen Grund, sich nicht imp­fen zu las­sen: Jemand will unbe­dingt krank werden.
Mein For­schungs­feld ist natür­lich auch hin­sicht­lich bio­lo­gi­scher Kriegs­füh­rung inter­es­sant. Seit 2006 bin ich im Com­mit­tee on Biode­fen­se tätig, weil die­se Viren – ob Grip­pe oder Ebo­la – eine poten­ti­el­le Gefahr dar­stel­len. Was das Virus von 1918 betrifft kann ich aber beru­hi­gen: Das ist für Ter­ro­ris­ten völ­lig unin­ter­es­sant, weil alle Men­schen, die heu­te leben, eine par­ti­el­le Immu­ni­tät ent­wi­ckelt haben. Trotz­dem ver­steht es sich von selbst, dass mit dem nach­ge­bau­ten Virus nur unter der höchs­ten Bio-Sicher­heits­stu­fe 4 gear­bei­tet wird.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 02/2008
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