Als junger Forscher war ich richtig gut und flink im Labor. Inzwischen stellen mich die jüngeren mit ihrer Fingerfertigkeit in den Schatten. Sie sind konzentrierter. Aber ich genieße es immer noch, mitten im Labor zu arbeiten. Natürlich könnte ich ein repräsentatives Office haben, aber dann fehlte mir etwas. Zum Glück bin ich mit der Verwaltung nicht allzu sehr belastet. Daher kann ich wie meine 150 Mitarbeiter wirklich forschen. Und das tue ich sechs Tage die Woche von früh bis spät.
Wir konnten zum Beispiel jenes Virus rekonstruieren, das die Spanische Grippe von 1918/19 ausgelöst hat. Es gab viele andere Viren, die weltweite Grippe-Epidemien ausgelöst haben, sogenannte Pandemien. Die Asiatische Grippe von 1957 etwa. Oder die Hongkong Grippe von 1968. Doch kein Erreger war so virulent wie der von 1918. Rund 50 Millionen Tote – so etwas gibt es nur einmal im Millenium.
Die US-Armee verfügt über ein phantastisches Pathologoie-Archiv. Dort konnte man von Menschen, die 1918 gestorben sind, Gen-Sequenzen jenes Virus gewinnen. Im Labor ist es dann gelungen, es nachzubauen. Wir haben anschließend Tiere infiziert und herausgefunden, warum dieses Virus so besonders war: Eine einzigartige, ideale Konstellation seiner acht Gene machte es so virulent.
Ein Hochleistungsathlet, der Weltrekord laufen will, braucht außer langen Beinen auch Arme, er braucht eine entsprechende Lungenfunktion und zahlreiche andere Voraussetzungen. Erst die Kombination aller Eigenschaften kann ihn zum Champion machen. Das hat im Fall des Grippeerregers etwas Beruhigendes: Weil es bei Viren auf die richtige Kombination der Gene ankommt, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit eine vergleichbare Pandemie auftritt. Zwar können sich Viren, die Tiere betreffen, so entwickeln, dass sie für den Menschen gefährlich werden – aber die Wahrscheinlichkeit ist gering.
Das heißt nicht, dass wir uns zurücklehnen könnten. Wir müssen die Impfindustrie unterstützen, damit sie in kürzester Zeit das jeweils aktuelle Grippevirus herstellen kann. Jeder Mensch sollte Zugang zu der gewöhnlichen Grippeimpfung haben. Dann gäbe es nur noch einen einzigen Grund, sich nicht impfen zu lassen: Jemand will unbedingt krank werden.
Mein Forschungsfeld ist natürlich auch hinsichtlich biologischer Kriegsführung interessant. Seit 2006 bin ich im Committee on Biodefense tätig, weil diese Viren – ob Grippe oder Ebola – eine potentielle Gefahr darstellen. Was das Virus von 1918 betrifft kann ich aber beruhigen: Das ist für Terroristen völlig uninteressant, weil alle Menschen, die heute leben, eine partielle Immunität entwickelt haben. Trotzdem versteht es sich von selbst, dass mit dem nachgebauten Virus nur unter der höchsten Bio-Sicherheitsstufe 4 gearbeitet wird.