Ich komme aus der linken Tradition. Wilhelm Reich, Körperarbeit, an den Aggressionen arbeiten, Psychotherapie mit politischem Bewußtsein zu verbinden – das war mein Programm. 1984 habe ich mit biodynamischen Massagen begonnen und dann 13 Jahre lang mit Kollegen Gruppentherapien angeboten. Inzwischen ist alles anders.
Die Forschung hat gezeigt, dass Erlerntes im Gehirn Prägungen hinterlässt, wodurch man immer wieder auf bestimmte Gefühlszustände zurückfällt. Schon deswegen will ich Wut oder Aggression nicht mehr zum Ausgangspunkt einer Therapie machen. Ich konzentriere mich heute auf das Positive. Ich will Menschen unterstützen, die sich selbst zum Wohlfühlen verhelfen wollen. Ich schlage ihnen vor, den Tag möglichst schön zu beginnen, weil sie davon den Rest des Tages profitieren. Sie sollen lernen, sich selbst zu achten und womöglich gar Liebe zu empfinden.
Früher hatten wir im linken Jargon eine gemeinsame Sprache. Da kamen Menschen zu mir, die an sich arbeiten wollten. Wachstumsarbeit nannten wir das. Heute kommen Patienten, die sagen: der Arzt schickt mich. Sie brauchen eine Krankheit, eine Diagnose, damit die Krankenkasse die Thearpiekosten übernimmt. Das birgt die Gefahr, dass wir auf das Kranksein starren, anstatt an den großartigen Potentialen des Einzelnen zu arbeiten.
Viele meiner Klienten kommen aus der Intellektuellenszene. Viele sind Ausländerinnen. Besonders faszinierend ist die Arbeit mit meinen türkischen und algerischen Klientinnen. Das sind moderne Frauen, die studiert haben und sehr aufgeklärt sind. Die wollen frei sein und haben im Kopf alles geklärt. Und dennoch gelingt das Leben nicht so, wie sie sich das vorstellen. Sie sind zerrissen, weil die kulturellen Einflüsse plötzlich aus einer ganz anderen Ecke wieder auf sie zukommen. Sie entwickeln ein schlechtes Gewissen, weil sie sich nicht der Norm entsprechend verhalten. Diese Art von Zerrissenheit liebe ich – vermutlich, weil ich sie als Ausländerin selbst kenne.
In Zeiten der Krise kommt eine besondere Herausforderung auf uns zu: Alle haben Angst. Menschen, die besser abgesichert sind, als ich es bin, kommen mit Krisenängsten zu mir. Ich ertappe mich dabei, selbst Angst zu haben. Meine Honorare sind sozial gestaffelt: Diejenigen, die Geld haben, zahlen gut; von den Kassenpatienten nehme ich, was die Kasse gibt; bei jenen, die wenig haben, gehe ich mit dem Preis runter. Jetzt fürchte ich manchmal, dass ich nicht genug verdienen werde, wenn die wohlsituierten Patienten sparen. Früher war mein Leben Rebellion pur und Geld unwichtig. Ich muss gestehen, dass sich das geändert hat: Heute ist Geld wichtig, auch für mich.