Es gibt noch einen anderen Jasper Sharp. Mit dem werde ich gelegentlich verwechselt. Auch der stammt aus Großbritannien, ist etwa so alt wie ich und publiziert ebenfalls, allerdings als Experte für Animationsfilm und japanische Pornografie. Ich bin also der Jasper Sharp aus Wien.
Die Stadt ist mir ans Herz gewachsen, seit ich meiner österreichischen Frau wegen hergezogen bin. Nach meiner Schulzeit in einem britischen Internat und vier Jahren Jurastudium kam ich als Praktikant ins Auktionshaus Christie’s in Paris. Bald wusste ich, dass ich das Falsche studiert hatte. Mit einer Diplomarbeit über die Poesie von Degas konnte ich das korrigieren. Seither fesselt mich die Kunst. Sechs Jahre lang arbeitete ich für Peggy Guggenheims Sammlung in Venedig und war auch für den US-Pavillion der Biennale verantwortlich. Ein Jahr verbrachte ich als Kurator in der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary von Francesca Habsburg. So ist das Sammeln meine Leidenschaft geworden.
Gerade starte ich mein Projekt „Collective“. Ich lade zwölf Personen ein, mit mir die Feinheiten des Sammelns zu erkunden. Wien hat eine beeindruckende Museenlandschaft. Es gibt eine große Anzahl guter Galerien. Die Stadt ist die Heimat von vielen großartigen Künstlern, nicht wenige davon sind zugezogen. Dennoch fällt auf, dass sich Wien bis heute nicht von der Vertreibung der großen jüdischen Kunstsammler erholt hat. Das will ich gemeinsam mit der hiesigen Kunstszene ändern. Die Stadt Wien unterstützt uns dabei mit einer finanziellen Förderung der Agentur Departure.
In den vergangenen Jahren ging über die Kunstwelt ein heftiger Geldregen nieder. In der Wirtschaftskrise haben Galeristen endlich wieder Zeit, sich um neue Sammler zu kümmern. Dies ist unsere Chance. Die von mir geladenen Collective-Mitglieder werden eine Jahresgebühr entrichten. Ich werde das Knowhow einbringen. Wir werden Museen und Künstlerateliers besuchen. Ich baue eine Bibliothek zu Geschichte und Praxis des Sammelns auf. Internationale Experten werden uns zur Seite stehen. Wir reisen ins Ausland und laden interessante Persönlichkeiten zu regelmäßigen Dinners. So soll die für das Sammeln unabdingbare Leidenschaft entfacht werden. Den Erfolg werde ich nicht daran messen, ob die Teilnehmer am Ende große Sammlungen zusammenkaufen; mir geht es nicht darum, Provisionen zu verdienen. Wichtig ist, dass diese Menschen das Rüstzeug erhalten, um sich verantwortungsvoll dem Sammeln verschreiben zu könnnen.
Manche Menschen sehen eine weiße Fläche an der Wand über ihrem Sofa und suchen nach passenden Bildern, um die Leere zu füllen. Das hat mit Sammeln nichts zu tun. Wer hingegen ein Bild kauft, für das er keinen Platz hat, der ist ein Sammler. Der weiß, dass er sich mit dem stetig wachsenden Fundus ein Problem schafft – wenn auch ein sehr luxuriöses.