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Mittwoch, 02. September 2009

Anstiftung zur Leidenschaft

Jasper Sharp
Der Kurator und Kunsthistoriker Jasper Sharp, 34, führt Novizen in die Feinheiten einer Sammlerexistenz ein.


Es gibt noch einen ande­ren Jas­per Sharp. Mit dem wer­de ich gele­gent­lich ver­wech­selt. Auch der stammt aus Groß­bri­tan­ni­en, ist etwa so alt wie ich und publi­ziert eben­falls, aller­dings als Exper­te für Ani­ma­ti­ons­film und japa­ni­sche Por­no­gra­fie. Ich bin also der Jas­per Sharp aus Wien.
Die Stadt ist mir ans Herz gewach­sen, seit ich mei­ner öster­rei­chi­schen Frau wegen her­ge­zo­gen bin. Nach mei­ner Schul­zeit in einem bri­ti­schen Inter­nat und vier Jah­ren Jura­stu­di­um kam ich als Prak­ti­kant ins Auk­ti­ons­haus Christie’s in Paris. Bald wuss­te ich, dass ich das Fal­sche stu­diert hat­te. Mit einer Diplom­ar­beit über die Poe­sie von Degas konn­te ich das kor­ri­gie­ren. Seit­her fes­selt mich die Kunst. Sechs Jah­re lang arbei­te­te ich für Peg­gy Gug­gen­heims Samm­lung in Vene­dig und war auch für den US-Pavil­li­on der Bien­na­le ver­ant­wort­lich. Ein Jahr ver­brach­te ich als Kura­tor in der Thys­sen-Bor­ne­mis­za Art Con­tem­po­ra­ry von Fran­ce­s­ca Habs­burg. So ist das Sam­meln mei­ne Lei­den­schaft geworden.
Gera­de star­te ich mein Pro­jekt „Coll­ec­ti­ve“. Ich lade zwölf Per­so­nen ein, mit mir die Fein­hei­ten des Sam­melns zu erkun­den. Wien hat eine beein­dru­cken­de Muse­en­land­schaft. Es gibt eine gro­ße Anzahl guter Gale­rien. Die Stadt ist die Hei­mat von vie­len groß­ar­ti­gen Künst­lern, nicht weni­ge davon sind zuge­zo­gen. Den­noch fällt auf, dass sich Wien bis heu­te nicht von der Ver­trei­bung der gro­ßen jüdi­schen Kunst­samm­ler erholt hat. Das will ich gemein­sam mit der hie­si­gen Kunst­sze­ne ändern. Die Stadt Wien unter­stützt uns dabei mit einer finan­zi­el­len För­de­rung der Agen­tur Depar­tu­re.
In den ver­gan­ge­nen Jah­ren ging über die Kunst­welt ein hef­ti­ger Geld­re­gen nie­der. In der Wirt­schafts­kri­se haben Gale­ris­ten end­lich wie­der Zeit, sich um neue Samm­ler zu küm­mern. Dies ist unse­re Chan­ce. Die von mir gela­de­nen Coll­ec­ti­ve-Mit­glie­der wer­den eine Jah­res­ge­bühr ent­rich­ten. Ich wer­de das Know­how ein­brin­gen. Wir wer­den Muse­en und Künst­ler­ate­liers besu­chen. Ich baue eine Biblio­thek zu Geschich­te und Pra­xis des Sam­melns auf. Inter­na­tio­na­le Exper­ten wer­den uns zur Sei­te ste­hen. Wir rei­sen ins Aus­land und laden inter­es­san­te Per­sön­lich­kei­ten zu regel­mä­ßi­gen Din­ners. So soll die für das Sam­meln unab­ding­ba­re Lei­den­schaft ent­facht wer­den. Den Erfolg wer­de ich nicht dar­an mes­sen, ob die Teil­neh­mer am Ende gro­ße Samm­lun­gen zusam­men­kau­fen; mir geht es nicht dar­um, Pro­vi­sio­nen zu ver­die­nen. Wich­tig ist, dass die­se Men­schen das Rüst­zeug erhal­ten, um sich ver­ant­wor­tungs­voll dem Sam­meln ver­schrei­ben zu könnnen.
Man­che Men­schen sehen eine wei­ße Flä­che an der Wand über ihrem Sofa und suchen nach pas­sen­den Bil­dern, um die Lee­re zu fül­len. Das hat mit Sam­meln nichts zu tun. Wer hin­ge­gen ein Bild kauft, für das er kei­nen Platz hat, der ist ein Samm­ler. Der weiß, dass er sich mit dem ste­tig wach­sen­den Fun­dus ein Pro­blem schafft – wenn auch ein sehr luxuriöses.

auf­ge­zeich­net von ES; ver­öf­fent­licht in: Die Zeit, Nr. 36/2009
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