Im August hat sich Nawid von uns verabschiedet. Hier, in Österreich, konnte er nicht bleiben, weil ihn unser Rechtsstaat nach Afghanistan schicken wollte. Dort wollte er nicht hin, weil er – mit vielen guten Gründen – um sein Leben fürchtet. So hat er sich nach mehr als 1.000 schönen und schweren Tagen in Österreich verzweifelt und verängstigt wieder auf den Weg gemacht. Und wir, seine gar nicht untätigen Freundinnen und Freunde in Österreich, haben das Nachsehen. Wir haben versagt. Es ist uns nicht gelungen, dem jungen Nawid ein würdiges Leben in der Sicherheit unseres Heimatlandes zu ermöglichen.
Das tut, erstens, weh; Nawid ist mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen.
Es ist, zweitens, ein wirklich beschämendes Gefühl, weil sich einmal mehr zeigt, dass die dünne Decke unserer Zivilisation noch dünner ist als befürchtet.
Und obendrein macht es natürlich wütend! Dass so viele – wie Nawid – in diesen Wochen und Monaten unser Land verlassen müssen, ist nämlich keine Naturkatastrophe, sondern das Produkt von zynischer Politik, systemischer Feigheit und schlichter Empathielosigkeit.
Damit will ich mich nicht abfinden! Ich habe in den vergangenen Jahren auch im Rahmen meiner Arbeit, beim Sammeln von Lebensgeschichten, viele neue Menschen kennengelernt, viele Frauen, Männer und Kinder, die mein Leben ebenso bereichern wie viele, die ich schon lange kenne. Diese Menschen (und ihre Geschichten) lassen mich mit aller gebotenen Vorsicht zu dem Schluss kommen, dass wir miteinander stark genug sind, um Schritt für Schritt an unser Ziel – ein würdevolles Leben für alle – zu kommen.
Ein kleiner erster Schritt: Wir sorgen dafür, dass zumindest jene Menschen, die seit über drei Jahren als Asylwerbende bei uns sind, ein Aufenthaltsrecht in diesem Land bekommen! Punkt!
Welche Menschen das sind, wie diese Menschen gelebt haben, bevor sie nach Österreich gekommen sind, was sie hier bei und jetzt mit uns erleben, wie sie sich eine Zukunft in Würde und Sicherheit vorstellen, ist in Nawids und über 400 anderen Lebensgeschichten nachzulesen, die wir im Blinklicht Media Lab in den Büchern WIR. HIER UND JETZT I + II publiziert haben.
An zwei Dienstagen des September
// 10.9. und 24.9.2019 jeweils um 19.00 Uhr //
werden wir deshalb mit Freunden und Freundinnen aus diesen Geschichten vorlesen und aus der Forderung nach einem Aufenthaltsrecht die Kampagne #hierbleiberecht machen, die in jedem Bundesland mit Lesungen, Workshops, Plakataktionen etc. aktiv wird.
Zu jedem dieser zwei September-Termine bitten wir etwa zwei Dutzend Menschen in unser kleines Blinklicht Media Lab (1010 Wien, Fischerstiege 1–7). Menschen, die neugierig und willig sind, sich in diesem Kontext mit uns zu engagieren. Die ihren Namen in den Dienst der Sache stellen, ihre Talente, ihre Fantasie, ihre Arbeitskraft einbringen, die sich vernetzen und wirksam werden wollen.
WIR müssen HIER UND JETZT handeln. Denn für Nawid ist selbst das schon zu spät.
Ernst Schmiederer, im August 2019
Bild: Marco Büchl / Blinklicht