0
 0,00 EUR 0 Produkte

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

homeSchafft die Fiaker ab
Mittwoch, 20. Dezember 2006

Schafft die Fiaker ab

Thomas Askan Vierich
Thomas Askan Vierich, 42, lebt seit viereinhalb Jahren als Publizist in Wien. Seit drei Wochen ist er nun auch Schriftsteller.


Gera­de ist mein ers­tes Buch erschie­nen: „Töd­li­che Deli­ca­tes­sen, ein kuli­na­ri­scher Roman“. Bis jetzt war ich als Restau­rant­kri­ti­ker, Lite­ra­tur­kri­ti­ker und Publi­zist, vor allem für diver­se Stadt­zei­tun­gen in Ber­lin und Wien tätig. Nun darf ich mich ganz offi­zi­ell Schrift­stel­ler nen­nen. Ich habe ja schon eini­ges geschrie­ben in mei­nem Leben. Über das Essen, über das Trin­ken, über das Rei­sen und als Lite­ra­tur­kri­ti­ker natür­lich über Bücher. Aber ein eige­nes Buch zu ver­öf­fent­li­chen ist doch was Beson­de­res. Und so sprin­ge ich nun mit Elan in den gro­ßen Pool des Lite­ra­tur­be­trie­bes. Ich ver­mark­te mich, rei­se zu Lesun­gen, habe auf mei­ne Visi­ten­kar­te „Schrift­stel­ler“ geschrie­ben. Und Fan­post krie­ge auch schon – in Maßen zwar, aber immerhin.
Jour­na­lis­tisch groß gewor­den bin ich beim Stadt­ma­ga­zin „Zit­ty“ in Ber­lin. Vom Prak­ti­kan­ten habe ich mich da zum Chef­re­dak­teur für Son­der­pro­jek­te ent­wi­ckelt. Mit dem Kri­mi voll­zie­he ich nun lite­ra­risch mei­nen Abschied von Ber­lin als auch mei­nen Aus­stieg aus dem Gewer­be des Restau­rant­kri­ti­kers nach. Im Buch geht es um einen gefürch­te­ten Gas­tro­papst, der bei der Eröff­nung eines Ber­li­ner Gour­met-Tem­pels tot in sei­nen Pud­ding kippt. Am Ende über­sie­deln die über­le­ben­den Prot­ago­nis­ten nach Wien. An die­sem Punkt schrei­be ich nun weiter.
Ich habe mir dafür eine klei­ne Schreib­stu­be über der Donau gemie­tet. Und zur Stär­kung erkun­de ich zwi­schen­durch die Wie­ner Wirts­haus­kul­tur. Was gibt es Bes­se­res als ein ech­tes Wie­ner Schnit­zel mit Erd­äp­fel-Vogerl­sa­lat? Wo sonst wird so boden­stän­dig, authen­tisch und doch mit so viel fri­schen Impul­sen gekocht wie im Wie­ner Beisl? Die­se Mischung aus tra­di­tio­nel­ler Def­tig­keit und heu­ti­ger Leich­tig­keit gefällt mir sehr gut.
Ich möch­te Wien nicht mehr gegen Ber­lin tau­schen. Ich bin zwar noch häu­fig in Ber­lin, weil mei­ne Toch­ter dort lebt. Aber die Stadt ist mir ein­fach zu anstren­gend, zu kaputt, zu unhar­mo­nisch. Die Ber­li­ner pen­deln hef­tig zwi­schen Pro­vin­zia­li­tät und Selbst­über­schät­zung. Wien ruht dage­gen in sich selbst. Man ist hier schön gelas­sen, weni­ger ange­be­risch und viel selbst­be­wuß­ter als in Ber­lin. Was ich bei all dem aber nicht ver­ste­he: War­um sind die Wie­ner so schlecht drauf? Mit­un­ter ist die­se schlech­te Lau­ne rich­tig anste­ckend, ich selbst bin schon ein hal­ber Grant­ler gewor­den. Lei­der kann man so was schlecht per Dekret abschaf­fen. Aber wenn die Leu­te ein­fach öfter raus kom­men und nach Ber­lin oder Ham­burg oder Zürich fah­ren wür­den, dann sähen sie wie schön sie es in Wien haben. Dann wüss­ten sie, dass ihre schlech­te Lau­ne völ­lig unbe­grün­det ist. Ansons­ten wür­de ich nur noch eins anre­gen: Fia­ker abschaf­fen. Die­sem gro­tes­ken, lächer­li­chen, nost­al­gi­schen, ana­chro­ni­sti­chen, tier­quä­le­ri­schen, stin­ken­den Kitsch soll man end­lich ein Ende bereiten!

Aus: Die Zeit, Nr. 51/2006
Teilen Sie diesen Beitrag
© 2024 blinklicht media lab
blinklicht medien rat & tat gmbh
Heinestraße 34/1b
1020 Wien
UID: ATU 62892007
FN: 283345i
usercartmagnifiermenu-circlechevron-down-circle
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram