Wie China auf die Natur- und Atom-Katastrophe in Japan reagiert, beschreibt unser Freund Alois Neudorfer heute in einer taufrischen Mail aus Peking. Alois, in China unter den Namen Lao Ni bekannt, ist uns im vergangenen Jahr als Auslands-Österreicher ins Netz gegangen und daher auch mit einem Portrait im IMPORT/EXPORT-Buch vertreten:
(hier zum download: Alois Neudorfer: IMPORT/EXPORT
Und hier nun sein heutiger Bericht aus China:
date: Thu, Mar 17, 2011 at 9:07 AM
subject: Update aus Beijing
Inzwischen soll sich die Lage etwas entspannt haben, doch vorgestern hatte ganz viele Leute in Beijing die Verwirrung erfaßt, nachdem es hieß, dass auf Honshu bereits einige Kerne schmelzen und sich ein gewaltiger radioaktiver Fallout nach Süden ausbreite. Dann rief noch eine Freundin an, dass eine Bekannte in Wladiwostok (das ist ja ziemlich nahe an Nordjapan dran) gerade in Panik gerate, weil alle Flüge aus dieser Stadt raus vollkommen ausgebucht seien. Zu Mittag kam dann zur Garnierung oder besser Konterkarierung noch die Nachricht daher, dass der hiesige Premierminister – ohne auf die Lage im Nachbarland überhaupt einzugehen – bekannt gegeben habe, man werde in den nächsten paar Jahren die Nuklearenergie ver-acht-fachen. Angeblich haben sie diese Nuklearpläne aber wieder dementiert. Kurz danach, auch vorgestern etwa gegen 14 Uhr, machte dann noch ein Panik-SMS in Beijing die Runde, dass sich die Bedrohungslage verschärft habe, weil gegen 16 Uhr die radioaktive Wolke schon auf den Philipinen eintreffe! Also ein Wechselbad der Gefühle, v. a. aber ein Gefühl der Hilflosigkeit.
Und andererseits fast gespenstisch. Denn hier läuft Business as usual. Die Chinesen tun alles, um den Eindruck der vollkommenen Normalität zu vermitteln. Wovon man sich natürlich auch gerne anstecken läßt. Überall, im Dongzhimen Krankenhaus, im Park beim Qigong, im Cafe etc. Normalität. Viele westliche Firmen (wie Damiler oder BMW) haben aber Geschäftsreisen nach China mittlerweile gestrichen. Etliche ausländische Mitarbeiter dieser Firmen, v.a. die mit Kindern, möchten so schnell wie möglich raus. Kann ich verstehen.
Wir sind hier, glaube ich, mit Nachrichten gut versorgt. Können auf alle Web-Sites zurgreifen. Ich hab immer den Ticker von Spiegel online laufen. Heute ist die Situation in Japan wieder ziemlich unklar. Mehrere Botschaften seien nach Osaka verlegt worden, hieß es. Die verbliebenen 50 Mitarbeiter im AKW hätten mittlerweile die Arbeit wieder aufgenommen. Unglaublich: diese armen Menschen. 5 Tage sind nach Beginn dieser Katastrophe nun vergangen – und täglich ergibt sich ein neues Bild.
Wir warten jetzt mal ab, wie sich die Lage in den nächsten Tagen u. Wochen entwickelt. Glauben tun wir inzwischen gar nichts mehr, nachdem klar wurde, welche unglaubliche Schlamperei bei den Betreibern dieser AKWs herrscht. Wenn sich die Lage aber nicht zuspitzt, möchte ich aber nach wie vor im April nach Nanjing zum Tuina-Training fahren.