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Mittwoch, 15. Oktober 2025

Nix für die Eiligen

An Samstagen belebt der Psychoanalytiker und Schachspieler Klaus Doblhammer, 58, den Volkertmarkt mit seiner Schachstation hinter dem Café Nelke.
Zuletzt geändert am 18. November 2025
Psychoanalytiker und Schachaktivist
Foto: ©Christopher Mavric

Die Idee stammt von Kine­ke Muld­er, einer Wie­ner Gra­fik- und Web­de­si­gne­rin. Sie ist 2015 mit ein paar Schach­bret­tern zum Haupt­bahn­hof gefah­ren, um den dort gestran­de­ten Flücht­lin­gen das Schach­spie­len zu ermög­li­chen. Ich habe Fotos davon gese­hen, war beein­druckt und fand das nach­ah­mens­wert. Also bin ich 2016 erst­mals mit drei Schach­bret­tern zum Vol­kertplatz gegan­gen. Ich woh­ne ums Eck in der Ver­eins­gas­se, ken­ne den Platz also gut. Der ver­trägt einer­seits ein bissl Bele­bung, habe ich mir gedacht, ande­rer­seits gibt’s dort die nel­ke – cafe am markt, mein Stamm­lo­kal. Der Wirt borgt mir einen Tisch, der Rest wird sich erge­ben. Und so läuft das seit­her jeden Som­mer. Ich hän­ge zwei, drei Pla­ka­te in der Gegend auf, um auf den nächs­ten Ter­min auf­merk­sam zu machen: Sams­tag von 10.00 bis 14.00 Uhr hin­ter der Nel­ke. Da haben wir Schat­ten und ein bissl Ruhe.

Wir stel­len den Tisch auf und zwei Bän­ke, plat­zie­ren die Schach­bret­ter und los geht’s. Erst kom­men die Kin­der. Volks­schü­ler, sie­ben, acht Jah­re alt. Die sind fas­zi­niert von den Figu­ren, das Pferd, der König, die Dame, die Bau­ern. Man­chen brin­ge ich Schach bei. Die Eltern sind auch begeis­tert, weil ihre Kin­der etwas Ver­nünf­ti­ges tun. Spä­ter set­zen sich Erwach­se­ne dazu und spie­len. Das ist die Idee: Es geht mir dar­um, Men­schen aus dem Grätzl zusam­men­zu­brin­gen, jung und alt, Män­ner und Frau­en, ver­schie­de­ne Natio­nen. Es macht ein­fach Spaß.

Was Kine­ke 2015 begon­nen hat, gibt es seit­her zum Bei­spiel jeden Frei­tag ab 17 Uhr als „chess unli­mi­t­ed“ am Platz der Men­schen­rech­te vor dem Muse­ums­quar­tier. Die Leu­te kom­men zum Spie­len. Oder auch zum Reden. Sie ver­bes­sern ihr Deutsch, ler­nen jeman­den ken­nen, fin­den eine Woh­nung. Sie sind unter Men­schen. Das ist am Vol­kert­markt nicht anders. Irgend­wann saßen sich dort zwei Wie­ner gegen­über und haben Chi­ne­sisch gere­det: der eine stu­diert die Spra­che, der ande­re unter­rich­tet sie. Ein tol­ler Zufall. Nach Aus­bruch des Kriegs in der Ukrai­ne kamen Men­schen, die von dort geflüch­tet waren. Es kom­men Außen­sei­ter, Alko­ho­li­ker, Leh­rer. Es kom­men eher nicht die Eili­gen, son­dern die­je­ni­gen, die sich ein bissl Zeit neh­men kön­nen. Die Spra­che ist nicht wich­tig. Es ist alles nie­der­schwel­lig und unkompliziert.

Das macht Schach aus. Man begeg­net jeman­dem ohne Vor­wis­sen, ohne Kennt­nis der Per­son. Man kennt die Regeln, man geht in medi­as res. In Covid-Zei­ten haben vie­le Schach wegen der Mög­lich­keit zum Online-Spiel für sich ent­deckt. Seit­her spie­len die Men­schen aber ver­stärkt auch wie­der mit ech­ten Geg­nern, mit Men­schen, die ihnen gegen­über sit­zen. Nicht unwe­sent­lich für den Schach-Boom war die Net­flix-Serie The Queen’s Gam­bit. Vie­le haben das Spiel damals für sich ent­deckt. Es ist eine sehr kon­tem­pla­ti­ve Sache. Man lässt sich auf etwas ein ohne zu wis­sen, wo das hin­geht. Um das kla­rer zu sagen: Die Anzahl der mög­li­chen 40-zügi­gen Schach­par­tien ist mit 10¹²⁰ grö­ßer als die Anzahl der Ato­me im Uni­ver­sum 10⁸⁰.

Da sehe ich auch eine Par­al­le­le zu mei­nem Beruf als Psy­cho­ana­ly­ti­ker. Die Psy­cho­ana­ly­se ist die Wis­sen­schaft vom Nicht­wis­sen. Man kann das Unbe­wuss­te ein­fach nicht fas­sen. Die Grund­satz­fra­gen die­ser Wis­sen­schaft beschäf­tig­ten mich theo­re­tisch, als Vor­tra­gen­der und als Publi­zist. Mei­ne kli­ni­sche Pra­xis betrei­be ich im 6. Bezirk. Und als Lek­tor bin ich damit befasst, Tech­ni­kern an der TU Wien Psy­cho­ana­ly­se und Wis­sen­schafts­theo­rie nahe­zu­brin­gen. Unter­schied­li­che Dis­zi­pli­nen, unter­schied­li­che Men­schen zuein­an­der zu brin­gen, das reizt mich eben.

Mich beglei­tet Schach seit dem 8. Lebens­jahr. In der Stu­di­en­zeit ist es dann inten­siv gewor­den. Und wäh­rend mei­ner frü­he­ren Tätig­keit als Sozi­al­päd­ago­ge war das Spiel immer zur Erho­lung und Ent­span­nung wich­tig. Die­se geord­ne­te Form der Aus­ein­an­der­set­zung tut einem beson­ders gut, wenn man den gan­zen Tag über inten­siv mit Men­schen zu tun hat.

Ich spie­le seit vie­len Jah­ren im Schach­klub Hörndl­wald im Café Wei­din­ger. Weil wir uns nicht als Sport­klub, son­dern als Kul­tur­ver­ein ver­ste­hen, weiß der Wirt dort unse­re Anwe­sen­heit beson­ders zu schät­zen: wir Schach­spie­ler brin­gen Ruhe in sein Kaffeehaus.

Auf­ge­zeich­net von Ernst Schmiederer 

https://​www​.zwi​schen​brue​cken​.at/​m​e​n​s​c​h​e​n​/​i​m​-​z​w​e​i​t​e​n​-​k​l​a​u​s​-​d​o​b​e​l​h​a​m​m​er/
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