0
 0,00 EUR 0 Produkte

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

home | Immer im Dienst
Dienstag, 18. November 2025

Immer im Dienst

Der 26jährige Hamza Karem lebt mit seiner Frau und einem positiven Asylbescheid in der Leopoldstadt. Sein Geld verdient er mit einem orangen Lieferando-Rucksack und dem eigenen Moped.
Zuletzt geändert am 18. November 2025
Hamza und sein Moped arbeiten ohne Unterlass
Foto: ©Christopher Mavric

Ges­tern war ich kurz in Linz. Ein Freund hat mir erzählt, dass es dort bei Rewe einen Job gibt. Aber dort könn­te ich auch nur 1.400 oder 1.500 Euro ver­die­nen. Und müss­te wie­der eine Woh­nung fin­den und über­sie­deln. Das kos­tet auch Geld. Also blei­be ich bes­ser in Wien.

Ich bin Syrer und in der Nähe von Damas­kus auf­ge­wach­sen. Dort habe ich Matu­ra gemacht und sechs Semes­ter Lehr­amt stu­diert. Aber dann muss­te ich weg. Streit über Reli­gi­on. Krieg. Sol­da­ten. Das Regime. Es ging um mein Leben. Seit Novem­ber 2021 bin ich in Öster­reich. Sie­ben Mona­te habe ich in Istan­bul in einer Schnei­de­rei gear­bei­tet. Zum ers­ten Mal im Aus­land. Ich habe mei­ne Mut­ter ver­misst. Sie hat jeden Tag Früh­stück für mich gemacht. Es war schwer. Ich habe gear­bei­tet, Draht­rei­fen in Hoch­zeits­klei­der ein­ge­baut. Und im sel­ben Raum habe ich geschla­fen. Ich hat­te kei­ne Papie­re, kei­ne Aussichten. 

Mit zwei Freun­den habe ich mich auf den Weg gemacht. Zu Fuß. Und in klei­nen Bus­sen. In einem Gum­mi­boot über den Grenz­fluss. 18 Tage zu Fuß durch Grie­chen­land bis nach Kava­la. Mit dem Bus nach Salo­ni­ki, nach Athen. Ein paar Tage Pau­se. Mit dem Bus bis Alba­ni­en. Wie­der zu Fuß über die Gren­ze. Koso­vo. Ein Land nach dem ande­ren. Ser­bi­en. Ungarn. Wir wur­den ver­haf­tet, wie­der zurück nach Ser­bi­en gebracht. Beim zwei­ten Mal hat es funk­tio­niert. Da waren wir müde, fer­tig, am Ende, wie blind. Unse­re Füße waren kaputt, alles offen. In Buda­pest-Kele­ti sind wir in einen Zug gestie­gen und bis Wien gefah­ren. Hauptbahnhof.

Jetzt ist es gut. Seit dem 21. März ist auch Ranim bei mir, mei­ne Frau. Fami­li­en­nach­zug. Sie hat ihr Tou­ris­mus­stu­di­um in Syri­en abge­bro­chen. Jetzt lernt sie Deutsch. Sie will fer­tig­stu­die­ren. Wir haben ein Stu­dio im zwei­ten Bezirk gemie­tet. Ein Zim­mer. Ich zah­le 663 Euro Mie­te. Und arbei­te jeden Tag. Von Mon­tag bis Sonn­tag. Min­des­tens acht Stun­den. Vor­mit­tag geht das meis­tens gut, da haben die Men­schen Hun­ger, wol­len Früh­stück oder schon Mit­tag­essen. Am Abend brau­chen sie uns auch. Aber dazwi­schen ist wenig zu tun. Es gibt vier Schich­ten, jede dau­ert vier Stun­den. Ich kann mich jeden Tag für drei Schich­ten anmelden.

Ange­fan­gen habe ich im März 2024 als Fah­rer, als Frei­er Dienst­neh­mer bei Foo­dara. Das war Stress. Ich habe gekün­digt und mich dann bei Lie­feran­do ange­mel­det. Ich war für 40 Stun­den Voll­zeit ange­stellt. Aber dann wur­de die Fir­ma geschlos­sen. Und jetzt gibt es dort nur mehr Freie Dienst­neh­mer. Net­to kann man 1.500, manch­mal 1.600 oder auch 1.700 Euro ver­die­nen. Oder wenn Du jeden Tag von acht Uhr bis Mit­ter­nacht durch­fährst auch 2.000.

Han­dy und Moped muss ich sel­ber kau­fen. Mein Moped wur­de gera­de erst gestoh­len. Um 850 Euro habe ich mir ein neu­es gekauft, ohne Akku. Extra dazu einen guten Akku um 900. Der hält acht Stun­den durch. In zwei Wochen bin ich jetzt schon 1.100 Kilo­me­ter damit gefah­ren. Die Aus­rüs­tung – Jacke, Helm, Tasche ­– bekommst Du beim ers­ten Mal gra­tis. Wenn etwas kaputt wird, kannst Du es online nach­kau­fen, im Lie­feran­do Shop. Frü­her haben wir auch Hand­schu­he bekom­men. Jetzt nicht mehr. Mei­ne Hose ist warm, eine Ski­ho­se von Lidl. Wenn es wie­der rich­tig kalt wird, so wie letz­tes Jahr im Win­ter, habe ich noch einen Roll­kra­gen- und zwei ande­re Pull­over, einen Schal und zwei Unterhosen.

Die Kun­den sind ver­schie­den. Men­schen eben. Vie­le sind zufrie­den mit uns, nor­mal. Aber es gibt auch unhöf­li­che Leu­te. Man­che geben kei­ne genaue Adres­se, kei­ne Tür­num­mer. Viel­leicht weil sie Angst haben? Aber ich muss dann lan­ge suchen. Ich kann nur über die Lie­feran­do-App mit dem Kun­den sprechen. 

Es gibt auch vie­le Men­schen, die has­sen unse­re Mopeds. Die schimp­fen, weil wir am Rad­weg fah­ren. Aber was soll ich machen. Ich kann nicht acht Stun­den mit dem Fahr­rad fah­ren. Und mit dem Moped darf ich nicht auf die Stra­ße. Die Lasal­le­straße zum Bei­spiel, die ist für unse­re Mopeds auch viel zu gefährlich. 

Ich suche drin­gend einen fixen Job. Ich habe mich bei Hofer online ange­mel­det und auch bei Lidl. Und bei Take­da, dem Phar­ma­werk im 22. Bezirk. Aber bis jetzt habe ich von kei­nem eine Ant­wort bekom­men. Obwohl ich alles habe. Ich habe Papie­re, schon nach vier Mona­ten habe ich einen posi­ti­ven Asyl­be­scheid bekom­men. Fünf Mona­te muss­te ich war­ten, bis ich einen Deutsch­kurs besu­chen durf­te. In zwei­ein­halb Mona­ten habe ich dann A1 kom­pakt gemacht. Und in drei­ein­halb Mona­ten den A2-Kurs. Dann die Prü­fung für B1-Niveau. Und auch schon den Kurs für B2. Jetzt will ich unbe­dingt noch das Zer­ti­fi­kat dafür machen. Das ist wich­tig, weil ich dann mehr Chan­cen für eine bes­se­re Arbeit habe. Ich möch­te das auf jeden Fall schaf­fen. Und ich hof­fe, dass der Win­ter nicht zu kalt wird.

Auf­ge­zeich­net von Ernst Schmiederer 

https://​www​.zwi​schen​brue​cken​.at/​m​e​n​s​c​h​e​n​/​h​a​n​d​y​-​u​n​d​-​m​o​p​e​d​-​m​u​s​s​-​i​c​h​-​s​e​l​b​e​r​-​k​a​u​f​en/
Teilen Sie diesen Beitrag
© 2025 blinklicht media lab
blinklicht medien rat & tat gmbh
Heinestraße 34/1b
1020 Wien
UID: ATU 62892007
FN: 283345i
usercartmagnifiermenu-circlechevron-down-circle
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram