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Mittwoch, 17. September 2025

Liebe zur Schrift

Die Kalligrafin, Schriftkünstlerin und Designerin Claudia Dzengel, 57, lebt und schreibt in der Brigittenau.
Zuletzt geändert am 18. November 2025
Foto: ©Christopher Mavric

Schon als Kind habe ich viel und ger­ne geschrie­ben. Schau­en Sie, ich zei­ge Ihnen etwas: mein ers­tes Schul­heft, eine Schreib­auf­ga­be vom 4. April 1975. Mei­ne Schrift. Und hier, in der Dose, mei­ne ers­te Feder, ein blau­er Peli­kan­fül­ler. Ich bin auf dem Dorf auf­ge­wach­sen, direkt am Wald, süd­lich von Hil­des­heim (D). An Kuh­wei­den vor­bei bin ich zur Schu­le gegan­gen, rich­tig schön. Ich war ein zufrie­de­nes Kind, wenn ich als Haus­auf­ga­be ein Wort zwan­zig- oder drei­ßig­mal schrei­ben muss­te. Die­se Lie­be zur Schrift trägt mich bis heute. 

Ich habe Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Farb­de­sign stu­diert. Bei Gott­fried Pott, einem bedeu­ten­den Kal­li­gra­fen und Typo­gra­fen, dem die Welt vie­le Schrift­ar­ten ver­dankt, habe ich mei­ne Lie­be zur Kal­li­gra­fie ent­deckt. Er war der wich­tigs­te Mensch für mich in die­sem Stu­di­um. Ich wuss­te damals nicht, dass ich die Kal­li­gra­fie zum Beruf machen wür­de. In sei­nen Lehr­ver­an­stal­tun­gen muss­ten wir schrei­ben. Die meis­ten haben das gehasst. Ich habe es geliebt und habe geschrie­ben. Und schrei­be bis heute. 

Über­all lie­gen mei­ne Übungs­blö­cke her­um. Gutes Papier, meist A3-For­mat. Da rei­he ich Buch­sta­ben an Buch­sta­ben. HNU. HNA. HNB. Immer so wei­ter. Obwohl Buch­sta­ben unter­schied­lich breit sind, ent­steht eine ruhi­ge Flä­che. Oder hier, ein Block mit gebro­che­nen Schrif­ten. Aus Buch­sta­ben wach­sen Geflech­te, Struk­tu­ren. Die kann man auch lesen oder jeden­falls ent­zif­fern. Manch­mal tan­zen die Buch­sta­ben übers Papier. Da liegt Musik dar­un­ter. Und manch­mal schrei­be ich stun­den­lang den einen Strich immer wie­der. Ich zie­he die Feder oder den Pin­sel in stän­di­ger Wie­der­ho­lung übers Papier.

Nach Wien bin ich nach dem Stu­di­um gekom­men, um bei einem Archi­tek­ten als Farb­de­si­gne­rin zu arbei­ten. Vie­le Jah­re habe ich mich mit der Gestal­tung von Leit- und Ori­en­tie­rungs­sys­te­men beschäf­tigt. Mein dama­li­ger Part­ner und ich haben das Gra­fik-Design-Büro Dzengel+Osten betrie­ben, die Gaso­me­ter waren unser ers­tes gro­ßes Pro­jekt. Dann kamen Die Häu­ser zum Leben. Die Asfi­nag. Die Kunst­hal­le Wien. Und zuletzt ein gro­ßer Neu­bau der Kli­nik Favo­ri­ten (gemein­sam mit Regu­la Wid­mer). Da ist mein Herz für die Leit­sys­te­me noch mal rich­tig auf­ge­blüht. Ich war frü­her Kran­ken­schwes­ter, auch wäh­rend des Stu­di­ums, um mich zu finan­zie­ren. Und ich bin eine Auf­räu­me­rin, ich struk­tu­rie­re ger­ne. So ein Kran­ken­haus­ge­bäu­de mit Schrift, mit Far­be, mit Gestal­tung zu ord­nen, war eine wun­der­ba­re Aufgabe.

Ein Berufs-Coa­ching hat mich nach einer län­ge­ren Kin­der­pau­se und Tren­nung vom Part­ner wie­der auf den Weg der Kal­li­gra­fie gebracht. Ich soll­te mei­ne Zie­le for­mu­lie­ren. Irgend­wann, habe ich gesagt, möch­te ich ein Kin­der­buch über Kal­li­gra­fie machen. Mei­ne Coach hat mich mit der Nase dar­auf gesto­ßen: irgend­wann ist jetzt. Ich wuss­te eigent­lich alles, was ich dazu wis­sen muss­te. So sind zwei Bücher ent­stan­den. Schritt um Schritt habe ich mei­ne Arbeits­fel­der aus­ge­baut. Ich unter­rich­te Kal­li­gra­fie an Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten, in der Leh­rer­fort­bil­dung, in Muse­en und im Rah­men von Work­shops und Semi­na­ren auch hier in mei­nem Stu­dio. Ich gestal­te indi­vi­du­el­le Auf­trags­ar­bei­ten, etwa Urkun­den, Bücher, Pla­ka­te. Gele­gent­lich stat­te ich Fil­me mit mei­nen Schrif­ten aus, zuletzt „B wie Bart­le­by“ von der öster­rei­chi­schen Fil­me­ma­che­rin Ange­la Sum­me­re­der. Und ich arbei­te an frei­en Wer­ken, die ich aus­stel­le und verkaufe.

Für das Schrift- und Hei­mat­mu­se­um im ober­ös­ter­rei­chi­schen Pet­ten­bach habe ich gera­de drei Vitri­nen gestal­tet. Und zwar mit Werk­zeu­gen, die ich beim Kal­li­gra­fie­ren benut­ze. In der einen habe ich jede Men­ge Federn und klas­si­sche Kal­li­gra­fie-Werk­zeu­ge gesam­melt. In einer zwei­ten sind Schwämm­chen, Höl­zer, Pom­mes­ga­beln, Zahn­bürs­ten zu sehen. Und in der drit­ten wer­den his­to­ri­sche Schreib­werk­zeu­ge, also Gän­se- und ande­re Feder­kie­le, Rohr­fe­dern aus Schilf, Wachs­ta­fel mit Grif­fel und asia­ti­sche Schreib­uten­si­li­en gezeigt. 

Jetzt im Som­mer pend­le ich zwi­schen mei­nem Gar­ten und der Bri­git­ten­au. Ich fah­re kaum in Urlaub, weil mit dem Arbei­ten vie­le Rei­sen zu schö­nen Orten ver­bun­den sind, zum Klos­ter Neu­stift in Süd­ti­rol etwa oder zum Stift Rei­chers­berg in Ober­ös­ter­reich. Aber mein klei­nes Häus­chen mit dem Gar­ten im Nor­den von Wien ist wich­tig für mei­ne Rege­ne­ra­ti­on. Dort bin ich unge­stört mit all den Pflan­zen und mei­nem selbst­ge­zo­ge­nen Gemü­se. Nach ein paar Tagen freue ich mich aber auch wie­der auf die Bri­git­ten­au. Lan­ge habe ich im zwei­ten Bezirk gelebt. Seit 15 Jah­ren bin ich nun in die­sem Haus in der Karl-Meißl-Stra­ße. Im zwei­ten Stock liegt mein Ate­lier, dar­un­ter die Woh­nung. Schö­ner könn­te ich es mir nicht wünschen. 

Im Grun­de lebe ich hier wie in mei­nen Kin­der- und Jugend­jah­ren auf dem Dorf. Ich ken­ne, tref­fe und grü­ße jede Men­ge Men­schen in der Umge­bung. Jetzt gera­de berei­te ich mei­ne Mit­wir­kung an der Rivie­ra Bri­git­ten­au vor, unse­rem Kul­tur­fest am Wal­len­stein­platz (6.9.2025). Ich wer­de mein Ate­lier für Inter­es­sier­te öff­nen und zum kal­li­gra­fi­schen Arbei­ten ein­la­den. Zum Schreiben.

Auf­ge­zeich­net von Ernst Schmiederer 

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