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Freitag, 14. November 2025

Immer miteinander

Marta (48) und Atila Delibalta (56) betreiben eine Änderungsschneiderei in der Brigittenau – vermutlich die kleinste der Stadt.
Zuletzt geändert am 17. November 2025
Foto: ©Ernst Schmiederer

Wir haben alles gut im Griff hier drin. 11,6 oder 11,4 Qua­drat­me­ter misst das Geschäft, so genau wis­sen wir das nicht. Da hat alles Platz, was wir brau­chen. Wir sind aber auch wirk­lich gut orga­ni­siert. Ich weiß, was ich zu tun habe. Und Ati­la, mein Mann, weiß, was er zu tun hat. Seit 2006 arbei­ten wir hier zusam­men. Und bis jetzt funk­tio­niert alles bes­tens. Ich stam­me aus Süd­po­len. Und ich, Ati­la, kom­me aus Pazar­cik, einer Stadt im Süd­os­ten der Tür­kei. Ich bin Kur­de und auch Ale­vi­te. Auf­ge­wach­sen bin ich bei mei­ner Oma, noch in der Tür­kei. Dort habe ich auch die Schnei­de­rei gelernt, bei mei­nem Onkel. Mei­ne Eltern haben damals in Deutsch­land gear­bei­tet und mei­ne bei­den Geschwis­ter mit­ge­nom­men. Erst nach­dem sie dann alle 1988 nach Wien gezo­gen waren, bin ich dazu gekom­men. Mein Papa hat dann Anfang der 1990er Jah­ren die Ände­rungs­schnei­de­rei hier gegründet. 

Wir machen heu­te alles, jede Art von Ände­rungs­schnei­de­rei. Hier liegt eine fast 50 Jah­re alte Leder­ja­cke, die braucht ein neu­es Fut­ter und einen neu­en Reiß­ver­schluss. Dort, die­ses auch schon 25 Jah­re alte und sehr, sehr dün­ne Rapid-Bade­tuch, muss an den Rän­dern neu gefasst wer­den – ein Lieb­lings­stück unse­res Kun­den, das er auf kei­nen Fall weg­schmei­ßen will. Man muss halt krea­tiv sein, man muss Ideen haben, wie man etwas wie­der hin­krie­gen und frisch machen kann. Und genau das macht uns Spaß – vor allem aber auch, weil wir es gemein­sam machen, weil wir jeden Tag mit­ein­an­der arbeiten.

Wir haben vier Söh­ne, 19, 18, 14 und zehn Jah­re alt. Einer geht im 22. zur Schu­le, einer im 19. und die zwei jün­ge­ren sind noch hier in der Bri­git­ten­au, einer im Poly­tech­ni­kum, der ande­re in der Euro­pa­schu­le auf der Vor­gar­ten­stra­ße. Wir sind alle begeis­ter­te Läu­fer und oft auf der Donau­in­sel oder im Pra­ter unter­wegs. Gele­gent­lich läuft der eine bei einem Wett­be­werb mit, Mara­thon, Halb­ma­ra­thon, da muss trai­niert wer­den. Dann wie­der lau­fen wir ein­fach so weil’s uns gera­de gut geht. Und weil wir alle Wie­ner sind, fah­ren wir seit vie­len Jah­ren auch immer wie­der in unse­re zwei­te Hei­mat, nach Bibio­ne. Als die Kin­der klein waren, haben wir jeden Urlaub dort ver­bracht. Inzwi­schen sind wir da fast so zuhau­se wie in der Bri­git­ten­au. Und auch sonst rei­sen wir ger­ne und meis­tens schnell. Wir haben vie­le Ver­wand­te in aller Welt, Cou­sins, Cou­si­nen. In Flo­ri­da. In Roches­ter an der kana­di­schen Gren­ze. Und in Deutsch­land. Jetzt fah­ren wir schnell nach Hes­sen, eine Nich­te hei­ra­tet, da müs­sen wir dabei sein. Nur übers Wochen­en­de natür­lich, am Mon­tag haben wir ja wie­der alle zu tun hier in Wien.

In den letz­ten Jah­ren hat sich die Umge­bung hier sehr ver­än­dert. Vie­le alte Öster­rei­cher sind ent­we­der weg­ge­zo­gen oder gestor­ben. Vie­le neue Leu­te sind gekom­men. Am meis­ten Deut­sche. Und vie­le Ukrai­ner. Und natür­lich Leu­te aus dem Nahen Osten, aus Syri­en. Und Afgha­nen. Frü­her hat es vie­le unter­schied­li­che Geschäf­te gege­ben. Jetzt gibt’s über­all Essen. Kebap und alles Mög­li­che. Frü­her haben wir sehr viel Geschäft von einem Her­ren­aus­stat­ter hier im Bezirk bekom­men. Da sind vie­le Leu­te auch aus Nie­der­ös­ter­reich zum Ein­kau­fen gekom­men und dann wur­de die neue Ware bei uns pas­send gemacht. Hosen­bei­ne gekürzt, Sak­ko­är­mel raus­ge­las­sen. Da waren wir im Schnitt zwei Tage die Woche damit beschäftigt. 

Heu­te haben wir dafür einen ganz ande­ren Trend. Die Leu­te kau­fen nicht mehr so viel Neu­es. Vie­le Men­schen sind umwelt­be­wusst gewor­den. Die kom­men mit dem Fahr­rad zu uns und brin­gen ihre alten Sachen zur Repa­ra­tur oder auch zum Umschnei­dern. Das sind natür­lich meis­tens jun­ge Men­schen, die auch nicht so viel Geld haben oder aus­ge­ben wol­len. Aber auch Leu­te, die sich neue Sachen kau­fen, im Inter­net, im Donau­cen­ter oder in der Mill­en­ni­um City, kom­men zu uns. Klei­der, die man von der Stan­ge kauft, pas­sen ja nicht gleich jedem. Auch da gibt’s also genug für uns zu tun. Im Moment kön­nen wir jeden­falls nicht kla­gen. Das Geschäft geht gut.

Auf­ge­zeich­net von Ernst Schmiederer

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